Weltwirtschaftsforum in Davos: Das Ende der Selbstgefälligkeit

Am Mittwoch beginnt das Weltwirtschaftsforum in Davos. Man kehrt den Finanzkrisen-Schutthaufen auf. Zumindest rhetorisch rückt eine Tobin-Steuer in den Bereich des Möglichen.

Schutthaufen: In Davos wird auch über Fehler der letzten Jahre zu sprechen sein. Bild: Gail Wlliams – Lizenz: CC-BY-SA

So ist das Weltwirtschaftsforum in Davos. Bundeskanzlerin Angela Merkel fliegt am Freitagnachmittag mit dem Helikopter mal eben auf 1.600 Meter Höhe, hastet in das Konferenzzentrum des verschneiten Schweizer Bergstädtchens und hält eine sagenumwobende Rede. Angesichts der Finanzkrise fordert sie die "weltweite soziale Marktwirtschaft" und einen "Weltwirtschaftsrat" als Koordinationsgremium für den Weltmarkt. Hunderte Manager und Politiker stecken die Köpfe zusammen: Gewagte Ideen! Freundlicher Applaus.

Das war vor einem Jahr. Und was ist jetzt, da am Mittwoch das nächste World Economic Forum (WEF) in Davos beginnt?

Von Merkels Weltwirtschaftsrat redet niemand mehr. Die Idee hat nicht verfangen. Macht aber nichts. Gerade deshalb reisen wieder tausende Spitzenmanager und Dutzende Regierungschefs in die Graubündener Alpen. In Davos wird immer viel philosophiert, das ist der Sinn bei diesem informellen Weltgipfel der Elite. Manchmal überdauert auch etwas: Kofi Annan, damaliger UN-Generalsekretär, warb 1999 für die Gründung des Global Compact, eines Zusammenschlusses ethisch handelnder Konzerne. Den gibt es jetzt tatsächlich.

Davos: "Rethink, Redesign, Rebuild" (Überdenken, Umgestalten, Erneuern) ist das Motto des World Economic Forums (WEF) 2010 in Davos. 1971 gegründet, empfängt der Kongress ab morgen 2.500 Teilnehmer, darunter rund 900 Spitzenmanager und Vertreter von 30 Regierungen. Aus Berlin kommen laut WEF Außenminister Guido Westerwelle und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle.

Die Hintermänner: Den repräsentativen Vorsitz hat unter anderem Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann. Klaus Schwab, Gründer und Chef des WEF, erhebt den Anspruch, mit dem Forum "den Zustand der Welt zu verbessern". Die Gäste schätzen den Kongress als eine Mischung aus Businessterminen, Bildungsurlaub und Skilaufen. Das WEF wird getragen von einer Stiftung, der die 1.000 größten Konzerne der Welt angehören.

Der Realisierungsgrad eines dritten großen Davoser Plans, der irgendwo zwischen Merkel und Annan liegt, ist in diesem Jahr aber höher denn je. Es geht um eine internationale Steuer für die Finanzmärkte. Frankreichs konservativer Präsident Jacques Chirac stellte die globalisierungskritische Idee der Tobinsteuer beim WEF 2005 groß heraus. Sein damaliger Vorschlag lautete, die Einnahmen zu verwenden, um die weltweite Armut zu verringern.

2010 ist eine Steuer dieser Art wieder im Gespräch, mit anderem Zweck: Es geht darum, die Verursacher der Finanzkrise an den Kosten der Bankenrettung zu beteiligen. Diese Idee steht auf der Tagesordnung der mächtigsten Wirtschaftsnationen (G-20-Gruppe) ganz oben – zumindest theoretisch. Auch in Davos wird sie gefordert, abgewogen und kritisiert werden.

Was der internationale Prozess am Ende bringt, ist offen. Mehrere Varianten sind im Gespräch. So hat sich Wirtschaftsprofessorin Beatrice Weder di Mauro, die als eine der Wirtschaftsweisen die Bundesregierung berät, kürzlich für die sogenannte Pigou-Steuer ausgesprochen. Benannt ist sie nach dem französischen Ökonomen Arthur Cecil Pigou (1877-1959). Mit ihr würden die Staaten den Gewinn der Banken zusätzlich besteuern – im Verhältnis zum Risiko, das ihre Geschäfte für den Finanzmarkt bedeuten.

Einerseits soll diese Abgabe als Steuerung dienen und die Banken dazu bewegen, vorsichtiger zu wirtschaften, da das Risiko für sie teurer wird. Andererseits soll das Geld in einen Fonds fließen, mit dem die Banken für die Kosten der nächsten Krise vorsorgen. Weder de Mauro spricht von einer Größenordnung von einem oder zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts, was im Falle Deutschlands bis zu 50 Milliarden Euro ausmachen würde.

In Bezug auf die Finanzmärkte ist das Konzept relativ neu. So stellen sich einige Fragen. "Wie will man das systemische Risiko messen?", fragt Weder di Mauros Sachverständigenkollege Peter Bofinger, "da bekommen Sie tausend Probleme." Außerdem fällt auf, dass 50 Milliarden Euro zwar eine Stange Geld sind, aber nicht annähernd an die Kosten der Krise heranreichen - allein die Verschuldung des Bundeshaushaltes soll 2010 über 80 Milliarden Euro betragen, und das ist nur die Spitze des Eisberges.

Ein gewisses Missverhältnis zwischen den Kosten der Krise, die global in die Billionen gehen, und den möglichen Einnahmen besteht auch bei anderen Vorschlägen. Sowohl die britische Steuer auf Bonuszahlungen für Banker als auch US-Präsident Obamas Sonderabgabe für Großbanken würden nur einen Bruchteil der Krisenkosten decken.

Günstiger sieht die Rechnung jedoch bei der Finanztransaktionssteuer aus, deren Chancen der Internationale Währungsfonds auf Geheiß der G 20 gegenwärtig prüft. Banken und Investoren müssten dann eine Umsatzsteuer von beispielsweise 0,01 Prozent auf jedes Geschäft zahlen.

Das österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) hat berechnet, dass dadurch pro Jahr mehrere hundert Milliarden Euro hereinkommen könnten – nach etwa zehn Jahren würde der globale Finanzsektor die Kosten der Krise in etwa zurückerstattet haben, unter einer Voraussetzung: Die wichtigen Bankenzentren müssten mitmachen. Ob die USA sich damit anfreunden können, ist zurzeit aber sehr fraglich.

Trotz aller Beschränkungen hat die Krise aber auch beim Steuerthema einen gewissen Wandel hervorgerufen. Während neue Steuern für Banken früher als Ideen linker Spinner abgetan wurden, sind sie inzwischen hoffähig. Das ist auch dem Programm des diesjährigen Weltwirtschaftsforums anzumerken, sein Motto lautet: "Rethink, Redesign, Rebuild" (Überdenken, Umgestalten, Erneuern).

Richard Samans, einer der Mitorganisatoren des WEF, bringt es auf diesen Punkt: "Wir stellen einen Wandel im Denken fest. Viele meinen, wir seien mit den wirtschaftlichen und politischen Risiken vor der Krise zu selbstgefällig umgegangen."

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