Weniger Gift auf dem Acker: Spritzen soll teuer werden​

Schon heute finden sich Ackergifte in Flüssen, Seen und im Grundwasser. Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck wirbt für eine Steuer auf Pflanzenschutzmittel.

Trecker verspüht Pestizide

Zuviel des Schlechten: Ein Trecker versprüht Pestizide auf einem Acker. Foto: dpa

HAMBURG taz | Auf Deutschlands Äckern soll weniger Gift ausgebracht werden. Um das zu erreichen, will Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Montag in Berlin eine Steuer auf Pestizide vorschlagen. Die Interessenvertreter der schleswig-holsteinischen Landwirtschaft wehren sich dagegen. Dabei hat das Nachbarland Dänemark die Steuer erst vor zwei Jahren verschärft.

Habeck,zugleich Umweltminister, ist alarmiert, weil sich Ackergift mittlerweile nicht nur in Oberflächengewässern sondern auch im Grundwasser findet. Bei Proben in den Jahren 2010 bis 2014 hat das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) an 139 von insgesamt 387 Grundwasser-Messstellen Pestizide und deren Abbauprodukte nachgewiesen. „In 60 Fällen handelte es sich um giftige Substanzen“, teilte das Umweltministerium dem Landtag mit.

Diese Stoffe belasteten das Ökosystem der Gewässer, weil viele Herbizide giftig für Tiere und Pflanzen seien. „Damit werden auch die Umweltziele der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie nicht erreicht“, stellte das Ministerium fest.

Eine Besserung ist nicht in Sicht, denn in den vergangenen Jahren haben die Landwirte immer mehr Pestizide ausgebracht statt weniger. Nach einem Gutachten der Helmholtz-Gesellschaft, das Habeck in Auftrag gegeben hat, werden heute 37 Prozent mehr Pestizide verkauft als noch vor 20 Jahren.

Die Helmholtz-Forscher haben errechnet, dass eine durchschnittlich 20-prozentige Steuer auf Pestizide, den Verbrauch in Deutschland um 35 Prozent drücken könnte. Dabei sollte die Steuer umso höher sein, je schädlicher das Produkt ist, das ausgebracht wird. Mit dem eingenommenen Geld könnte das Pestizid-Monitoring und die Lebensmittelüberwachung bezahlt oder die nachhaltige Anwendung von Pflanzenschutzmitteln gefördert werden.

Er glaube nicht, dass das Geld an die Landwirtschaft zurückfließen werde, sagte Schleswig-Holsteins Bauernpräsident Werner Schwar den Lübecker Nachrichten. Das Geld werde den Betrieben fehlen und sicher anderswo im Haushalt verbraten. „Das Ganze droht auch fachlich ein Schuss in den Ofen zu werden“, warnte Schwarz. Die Landwirte stezten die kostspieligen Pflanzenschutzmittel heute schon sparsam ein. Geizten sich noch mehr damit, drohten Schädlinge und Unkräuter resistent zu werden.

„Sobald man an die Grundfesten der konventionellen Landwirtschaft rangeht, kommen solche Reaktionen“, sagte dagegen Susanne Haffmans vom Pestizid-Aktions-Netzwerk (PAN) der taz. Die Gefahr von Resistenzen werde von den Bauern reflexhaft beschworen. „Eine Steuer ist kein Verbot“, sagte Haffmans. Und bei einer grundsätzlich ökologischeren Herangehensweise könnte auf die Mittel ganz verzichtet werden.

„Wir begrüßen die Initiative von Minister Habeck sehr“, sagte Haffmans. Zumal Länder wie Frankreich, Schweden und Dänemark eine solche Steuer längst eingeführt hätten. Dänemark hat die Steuer 1998 mit jeweils unterschiedlichen Sätzen für Mittel gegen Insekten, Unkräuter, Pilze und Wachstumsregulatoren eingeführt.

Leider seien die Preise für Agrarprodukte seit 2002 kontinuierlich gestiegen, so dass sich die Steuer relativiert habe. Das Gesetz verfehlte das selbst gesetzte Ziel. Außerdem habe Dänemark gefährliche und weniger gefährliche Stoffe in gleichem Maß besteuert, bemängelt PAN.

Mit einer zum 1. Juli 2013 in Kraft getretenen Novelle soll sich das ändern. Künftig soll sich die Höhe der Steuer am Belastungsindikator für Menschen, Tiere und das Umweltverhalten eines Stoffes orientieren, also etwa daran, wie mobil oder stabil so ein Ackergift ist.

Das PAN kritisiert, dass durch den hohen Pestizideinsatz die Äcker verarmt seien. Statt bis zu 30.000 Wildsamen pro Quadratmeter wie in den 50er Jahren fänden sich heute nur noch 1.000 bis 2.500. „Damit nimmt man künftigen Generationen die Möglichkeit, auf natürlich Regulationsmöglichkeiten zu setzen“, sagt Haffmans.

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