Werbeaktion in Japan: Unhappy Meals in Tokio
Eine Werbeaktion von McDonald’s in Japan zeigt die Schattenseiten des Sammelbooms. Das Spielzeug der Kindermenüs wird weiterverkauft, das Essen weggeworfen.

S tell dir vor, du bestellst für dein Kind ein Happy Meal bei McDonald’s und erfährst, dass es ausverkauft ist, weil lauter Erwachsene die beigelegten Sammelobjekte weiterverkaufen wollten. Die bestellten Burger, Nuggets, Pommes und Getränke hingegen warfen sie weg. So was konnte man neulich in Japan erleben. Zu jedem Kindermenü – in Japan Happy Set genannt – gab es zwei Pokémon-Karten. Die sind derzeit gerade wieder sehr beliebt.
Das Fast-Food-Unternehmen druckte drei Millionen Karten für eine dreitägige Verkaufsaktion in seinen 3.000 Filialen. Doch reichte das Angebot nicht mal für einen Tag. Scalper – so nennt man diese Händler – kauften alles auf und stellten die Pokémon-Karten zu hohen Preisen auf die Plattform Mercari, Japans Version von eBay. Eine dieser Karten mit der beliebten Figur Pikachu wurde für umgerechnet 28.000 Euro angeboten.
Das Ergebnis waren weinende Kinder, frustrierte Eltern und empörte Kommentare in den sozialen Medien. Fotos von weggeworfenem Essen gingen viral. Viele Wiederverkäufer bestellten mehrere Sets online vor, nahmen die Sammelkarten aus den Essenstüten und ließen das Essen zurückgehen. Dabei sollen die Happy Meals laut firmeneigener Werbung „dem Wachstum und Glück von Kindern“ dienen. Der X-Nutzer Yoshi kommentierte: „In Wirklichkeit doch ein ‚Unhappy Meal‘, oder?“ Die Nutzerin Nagareboshi ergänzte: „Etwas, das Kindern das Lächeln raubt, ist weder ein Happy Meal noch sonst irgendetwas.“
McDonald's gibt sich reumütig
Die Verbraucherschutzbehörde forderte McDonald’s auf, die Essensverschwendung zu stoppen. „Das Unternehmen muss mehr Einfallsreichtum bei Gegenmaßnahmen zeigen“, verlangte Behördenleiterin Natsuko Horii. Der Fast-Food-Riese entschuldigte sich für das Chaos. „Unsere Reaktion war unzureichend“, hieß es in einer Mitteilung, die in allen Filialen hing. Bei der zweiten Verkaufsrunde beschränkte McDonald’s die Zahl der Sets auf drei pro Kunde und konnte erneute chaotische Szenen vermeiden. Die nächste geplante Werbeaktion für Kindermahlzeiten mit Spielkarten des Manga-Bestsellers „One Piece“ stornierte McDonald’s jedoch. Stattdessen legte man dem Essen Spielzeuge aus früheren Jahren bei.
Japan hat eine lange Geschichte solcher Werbeaktionen mit unerwünschten Nebenwirkungen. Von Bikkuriman-Schokolade in den 1980er Jahren über Yo-KaiWatch-Kartoffeleimern 2015 bis zu Kimetsu-no-Yaiba-Waffeln 2020 kauften Fans massenhaft Snacks wegen der beiliegenden Sammelobjekte und warfen die Lebensmittel weg. In diesem Kontext wirkte das Verhalten von McDonald’s auf manche Japaner heuchlerisch. Das Unternehmen vermied nämlich strengere Abgaberegeln, obwohl man es hätte besser wissen müssen. Man hätte zum Beispiel zuerst die Kinder bedienen oder für sie ein Kontingent an Sets reservieren können.
Stattdessen wurde die Aktion mit dem Hinweis beworben, dass jeder bis zu fünf Sets kaufen könne, richtete sich damit direkt an die Scalper und nahm so die Essensverschwendung bewusst in Kauf. Schließlich hatte die Fast-Food-Kette bei einer Aktion im Mai mit Souvenirs der Cartoonfigur Chiikawa und des „Minecraft“-Films ebenfalls Berge von unberührten Burgern verursacht. Der X-Nutzer Haoti kritisierte das Unternehmen: „Die Obergrenze pro Kunde soll doch nur den Anschein wahren, als ob man Essensverschwendung vermeiden will“, schrieb er.
Andere Maßnahmen sind möglich
Aber es geht auch anders. Nintendo vermied Konsumentenfrust über die Tenbai-Ya, eine Slang-Mischung aus „wiederverkaufen“ und „Käufer“. Beim Verkaufsstart der Spielekonsole Switch 2 wurden die vorhandenen Geräte unter den Vorbestellern in zwei Runden verlost. Nintendo arbeitete auch mit Wiederverkaufsplattformen zusammen, um den schnellen Weiterverkauf der Konsole zu überhöhten Preisen zu verhindern. „Wenn die Firmen nicht aufpassen, beschädigen Scalper die Marke“, warnte Kolumnist Takashi Kimura im Wirtschaftsmagazin Toyo Keizai.
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