„Werbung“ für Schwangerschaftsabbruch: Gericht bestätigt Hänels Verurteilung

Das Gießener Landgericht hat das Urteil gegen Kristina Hänel in Höhe von 6.000 Euro Strafe bestätigt. Die Ärztin zeigte sich dennoch zufrieden.

Eine Frau hält bei einer Kundgebung vor Beginn eines Berufungsprozesses gegen die Gießener Ärztin Hänel am Landgericht ein Plakat mit der Aufschrift „Frauen haben ein Recht auf Information“

Information, nicht „Werbung“: Das wollen die Demonstrant*innen vor dem Landgericht in Gießen Foto: dpa

GIEßEN taz/epd | Das Gießener Landgericht hat das Urteil gegen die Ärztin Kristina Hänel in Höhe von 6.000 Euro Strafe bestätigt, weil sie auf ihrer Website unerlaubt „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche macht. „Sie müssen das Urteil tragen wie einen Ehrentitel im Kampf für ein besseres Gesetz“, sagte der Vorsitzende Richter Johannes Nink zu Hänel. Nink machte der während der Verhandlung mehrfach deutlich, Zweifel an der Verfassungsgemäßheit des Paragrafen 219a zu haben, der die „Werbung“ für Abbrüche verbietet.

Obwohl Hänels Verteidiger Karlheinz Merkel jedoch beantragt hatte, das Verfahren auszusetzen und direkt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, folgte Nink diesem Antrag nicht. Er sehe das Landgericht nicht als die Instanz, diese Entscheidung zu treffen, sagte er.

Kristina Hänel zeigte sich im Anschluss an die Verhandlung dennoch zufrieden. „Nun sind wir einen Schritt weiter im Kampf, den Paragrafen 219a zu ändern oder abzuschaffen“, sagte sie. Zwar schlügen zwei Herzen in ihrer Brust: „Ich bin keine Verbrecherin und möchte deshalb auch nicht verurteilt werden“. Dennoch stehe sie hier für die „vielen tausend Frauen“, die durch den Paragrafen 219a beeinträchtigt werden, nötige Informationen zu finden. „Ich will die Rechtssicherheit für ÄrztInnen und für Frauen.“

Ihr Verteidiger kündigte an, direkt in Revision zu gehen, um so schließlich ein höchstricherlichers Urteil zu erlangen.

Im vergangenen November war Hänel vom Amtsgericht Gießen zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil sie auf der Internetseite ihrer Praxis über Schwangerschaftsabbrüche informiert hatte. Nach Auffassung des Gerichts verstieß sie damit gegen das „Werbeverbot“ für Abtreibungen nach Paragraf 219a Strafgesetzbuch.

Soli-Demo am Morgen für Hänel

Vor dem Gericht versammelten sich am Morgen rund 200 Menschen, um ihre Unterstützung für Hänel auszudrückten. Sie trugen Schilder mit Aufschriften wie „Gegen Bevormundung“ und „Frauen haben ein Recht auf Information“. „Der 219a in seiner heutigen Form muss weg“, sagte SPD-Vizechef Thorsten Schäfer-Gümbel, der auch anwesend war. Die SPD sei für die Streichung des Paragrafen.

Nach der bestätigten Verurteilung bekräftigt Familienministerin Franziska Giffey, die derzeit gemeinsam mit Justizministerin Katarina Barley (beide SPD), Gesundheitsminister Jens Spahn und Kanzleramtschef Helge Braun (beide CDU) einen Kompromiss zu Paragraf 219a verhandelt, die Position der SPD: „Wenn Frauen in so einer schwierigen Situation sind – und das ist eine extreme Ausnahmesituation –, dann brauchen sie Beratung, Information und Unterstützung“, erklärte Giffey am Freitag in Berlin. „Das darf man ihnen nicht verwehren.“

Der Fall löste eine breite politische Debatte über eine mögliche Abschaffung des Paragraphen 219a aus. „Das Recht auf Information, nicht auf Werbung, ist elementar“, erklärte Giffey am Freitag. „Darum brauchen wir eine Reform des Paragraphen 219a. Wir müssen die gute Arbeit von Ärztinnen und Ärzten entkriminalisieren und ihnen Rechtssicherheit geben.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.