Werbung in der Kirche: Das Geld von Ikea

In der Altonaer Kulturkirche ist der neue Ikea-Katalog vorgestellt worden. Eine Künstlerin hält das für unerlaubt: Damit erhalte ein für den Stadtteil hoch problematisches Projekt den göttlichen Segen.

"Tun tut gut - Halleluja!": Das war das Ikea-Motto bei der Vorstellung des Jahreskatalogs in der Hamburger Kulturkirche. Bild: Ikea

HAMBURG taz | Die Altonaer Kulturkirche hat vieles schon gesehen: Modenschauen, Podiumsdiskussionen, Bankette – und auch die eine oder andere Veranstaltung eines Unternehmens. Eine solche hat jetzt den Unmut der Künstlerin Judith Haman auf sich gezogen. In einem Brief an die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs kritisiert sie, dass die Kulturkirche an den Möbelkonzern Ikea vermietet wurde – zur Vorstellung des Jahreskatalogs 2013 unter dem Motto „Tun tut gut – Halleluja!“. „Sind Sie sich der Tragweite bewusst, solche Events zu akzeptieren?“, fragt die Künstlerin.

Haman stößt sich an dem Ikea-Event, weil der Möbelkonzern mitten in Altona sein erstes innerstädtisches Möbelhaus auf dem Kontinent errichten will. Die Befürworter, die sich in einem Bürgerentscheid durchsetzten, hoffen, dass Ikea die lange Jahre vor sich hin siechende Einkaufsmeile Große Bergstraße belebt. Die Kritiker befürchten, dass die Belebung über das Ziel hinausschießen und das Leben im Stadtteil erschweren wird. Sie prophezeien mehr Verkehr, mehr Lärm, weniger Licht und steigende Mieten, Gentrifizierung.

Opposition gegen Ikea

Haman gehört zu mehreren Dutzend KünstlerInnen, die durch das Ikea-Projekt vertrieben worden sind. Sie bevölkerten das Frappant, einen lange leer stehenden 70er-Jahre-Koloss, der mittlerweile abgerissen ist. Die Künstler waren von einem Stadtplanungsbüro als Zwischenmieter herbeigelockt worden, um das Quartier wiederzubeleben. Das klappte so gut, dass sie bleiben wollten und sich der Opposition gegen die Ikea-Planung anschlossen.

Zu einer Kulturkirche umgewidmet hat die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde Altona-Ost ihre aus dem Jahr 1873 stammende St.-Johannis-Kirche. Seit 1999 wird der neugotische Backsteinbau von einer dafür gegründeten Gesellschaft als "Event Location" vermarktet.

Das Programm besteht zu einem großen Teil aus Konzerten, die zum Teil von einer privaten Stiftung gefördert werden.

Zwei weitere Kirchen der Gemeinde bieten sich für Anderes an: die "Kirche der Stille" als Ort des Rückzugs und der Einkehr, die "Friedenskirche" als Kirche für Stadtteil und Bildung.

Ikea will anstelle des 70er-Jahre-Einkaufszentrums "Frappant" sein erstes innerstädtisches Möbelhaus errichten. Kritiker befürchten, der Bau könnte den Stadtteil erschlagen.

Ikea werde ein innerstädtisches Riesenkonsumkaufhaus errichten mit unabsehbaren Folgen für die Bevölkerung, warnt Haman. Die ganze Idee sei eine Ungeheuerlichkeit. „Nun wird auch noch durch die Absegnung der Kirche dazu beigetragen, Ikea gottgewollt anzuerkennen“, schreibt sie den Kirchenoberen.

Der Referent des Präses der EKD, Alexander Brodt-Zabka, verweist in seiner Antwort darauf, dass die Kulturkirche ausdrücklich „zu kulturellen und kommerziellen Zwecken“ vermietet werden solle. „Bei rückläufigen Kirchenmitgliedszahlen und auch finanziellen Mitteln müssen Kirchengemeinden in Zukunft verstärkt Wege finden, um ihre Kirchengebäude halten zu können, was nicht selten schmerzliche Kompromisse erfordert“, schreibt er.

Die Idee sei gerade gewesen, Kirche und Kommerz zu trennen, sagt Stefan Kröhnert, der die Kirche im Auftrag der Kirche vermietet. „Der Kirchenvorstand will am Sonntag nicht Danke sagen müssen für einen, der am Mittwoch gemietet hat.“ Ziel sei es, möglichst viel Geld einzunehmen.

Kein Wahlkampf

In den vergangenen 13 Jahren hätten sich Regeln dafür herauskristallisiert, was an Veranstaltungen möglich sei und was nicht. Kirchenkritische Veranstaltungen, Kundgebungen von Parteien im Wahlkampf und Märkte seien ausgeschlossen. Bei Firmenevents frage er die Gemeinde, so auch im Falle von Ikea. „Damit hatten sie keine Probleme“, sagt Kröhnert.

„Das stimmt nicht“, sagt Pastor Friedrich Brandi. Die Kirche sei an die Kulturkirchen GmbH verpachtet und werde von dieser auf Basis einer Rahmenvereinbarung vermietet. Die Gemeinde rede bei einzelnen Vermietungen nicht mit. Das wäre auch nicht praktikabel, findet Brandi.

Pakt mit dem Kapital

Er selbst habe auch seine Bedenken bei dem Großprojekt von Ikea. „Aber wenn man schon einen Pakt mit dem Kapital eingeht, warum soll man das nicht auch an Ikea vermieten?“, fragt er. Die Kirche könne mit dem Geld etwas Besseres anfangen als Ikea. Wenn es sich um einen Rüstungskonzern handelte, könnte er den Protest verstehen, sagt Brandi – aber nicht bei Ikea, wo vermutlich auch viele Kritiker einkauften.

Haman ist zwar kein Kirchenmitglied, als bildende Künstlerin beschäftige sie sich aber mit der Ikonografie der Malerei und damit zwangsläufig mit biblischen Themen, sagt sie. „Ich finde die Ignoranz dieser Gemeinde nicht erlaubt.“

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