Werder Bremen: bestes Spiel der Saison: Freie Bahn für Nachwuchskicker

Das Konzept, mit jungen Spielern zu arbeiten, scheint sich zu bewähren. Und jetzt kommt auch noch U19-Europameister Levin Öztunali.

Hat sich vom Ergänzungsspieler zur Entdeckung gemausert: Fin Bartels beim Feiern mit den Fans Bild: dpa

BREMEN taz | Als Werders ehemaliger Aufsichtsratsvorsitzender Willi Lemke im Sommer das Geld für den Kauf eines teuren Offensivspielers nicht freigab, wurde er zum Mitschuldigen des Niedergangs erklärt. Mit Neid guckten einige zum HSV, der sich gerade für acht Millionen Euro Ablöse und drei Millionen Jahresgehalt die Dienste von Pierre-Michel Lasogga sicherte – auf Pump wohlgemerkt, vorfinanziert von dem Unternehmer Klaus-Michael Kühne, der den HSV aktuell in ernste wirtschaftliche Bedrängnis bringt, weil er auf einmal sein Geld zurück will.

Spätestens seit dem furiosen 2:1-Sieg Werders gegen Borussia Dortmund am vergangenen Samstag sollte man Lemke für seine Sparsamkeit dankbar sein. Ein teurer Stürmer hätte womöglich das bewirkt, wovor Sportchef Thomas Eichin nicht müde wird zu warnen: Er hätte die Entwicklungsmöglichkeiten von jungen Spielern wie Davie Selke oder Melvyn Lorenzen blockiert.

Obwohl die beiden 19-Jährigen ähnliche Spielertypen sind – groß, kantig, schnell –, bot Trainer Viktor Skripnik sie gegen Dortmund gemeinsam im Angriff auf als Speerspitzen einer Kontertaktik. Die ist einer Heimmannschaft zwar eigentlich nicht würdig, in Werders prekärer Situation in der Tabelle aber ein legitimes Mittel, die Offensivkraft der Dortmunder in Schach zu halten.

So verteilten sich die Spielanteile auf dem Platz wie die Stimmanteile auf den Rängen: 68:32 für die Dortmunder. Aber genauso, wie die Dortmunder Fans ihr wogendes „Borussia-BVB“ über 90 Minuten ohne Variationen in immer gleicher Lautstärke vortrugen, spielte die Mannschaft gleichförmig, ohne Tempoveränderungen und leidenschaftliche Ausbrüche. Angriffswelle nach Angriffswelle rollte auf das Bremer Tor zu, ohne dass die anfälligste Abwehr der Liga in große Schwierigkeiten geriet.

Gänsehaut-Atmosphäre

Der gün-weiße Anhang konzentrierte sich dagegen wie die Spieler auf wenige wichtige Offensivaktionen, in denen sie sich aber gegenseitig zur Gänsehaut-Atmosphäre besserer Zeiten hochpeitschten. Der Mannschaft reichte ein halbes Dutzend schneller, präziser Konter, um bis zur 62. Minute durch die überragenden Davie Selke und Fin Bartels eine beruhigende 2:0 Führung herzustellen.

Neben Selke und Lorenzen ist Bartels die Entdeckung dieser Vorrunde. Der Ex-St. Paulianer galt nach seiner ablösefreien Verpflichtung als Ergänzungsspieler, setzte sich aber deutlich gegen den als Königstransfer gehandelten Izet Hajrovic durch. Mit seiner Laufstärke, Ballsicherheit und Torgefahr ist er nicht mehr aus der Mannschaft wegzudenken.

Gewonnen wurde dieses Spiel allerdings endlich einmal wieder in der Abwehr, die die Räume so konzentriert und lückenlos dichtmachte, dass außer dem 1:2 durch Mats Hummels nach einer Ecke kaum eine nennenswerte Torchance für die verunsicherten Dortmunder heraussprang. „Wir haben überragend agiert, kompakt gestanden und uns zerrissen. Das war eine richtig starke Teamleistung“, sagte Mittelfeldspieler Zlatko Junozovic, der Mitte der Woche noch durch eine öffentliche Teamschelte für Aufsehen gesorgt hatte.

Fühlten sich die Fans schon durch diesen Sieg beschert, legte Sportchef Eichin am Sonntag noch ein Geschenk drauf: Er gab bekannt, dass Werder den Leverkusener Mittelfeldspieler Levin Öztunali bis 2016 ausleiht. Der blockiert keinen hoffnungsvollen Nachwuchsmann, weil er selbst einer ist.

Werder scheint wieder ein Klub zu werden, bei dem auch Top-Talente die Chance sehen, einen Sprung nach vorn zu machen. Am meisten wird die Werder-Fans aber freuen, dass die Anhänger des HSV den U19-Europameister liebend gern in ihren Reihen sähen: Öztunali ist der Enkel von Uwe Seeler und wurde beim HSV ausgebildet.

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