Westafrikanischer Kleinfischer übers Fangen: "Die Probleme hat die Nordsee auch"

Falsch beflaggte Schiffe aus Europa fischen in Afrika die Meere leer, weiß der Fischer Gaoussou Gueye. In der Nordsee machten niederländische Konzerne das genauso.

"Lokale Fischer haben überhaupt keine Rückendeckung", sagt Fischer Gaoussou Gueye. Bild: ap

taz: Herr Gueye, sie haben zwei Wochen lang die Kleinfischer an der Nordsee besucht. Haben Sie sich dabei an Ihre Heimat erinnert gefühlt?

Gaoussou Gueye: Ja. Die Probleme sind hier dieselben wie bei uns.

Tatsächlich? Westafrikas Fischer klagen über den jahrelangen Fischraub durch die EU-Flotten - das Problem tritt in der Nordsee nicht auf.

(54) ist Generalsekretär des Westafrikanischen Kleinfischerverbandes CAOPA (Confédération Africaine des Organisations de Pêche). Er lebt in Mbourr im Senegal. In den letzten Wochen wurde er von der Meeresschutzorganisation Fair Oceans und dem Evangelischen Entwicklungsdienst zu einer Infotour an die Nordseeküste eingeladen.

Die Politik der EU bevorzugt industrielle Fischereiflotten und zerstört damit die nachhaltige, handwerkliche Fischerei und die Fischbestände – hier wie dort. Ich habe die Krabbenfischer der Nordsee getroffen, die kürzlich vier Wochen lang gestreikt und eine Erhöhung der Krabbenpreise durchgesetzt haben. Das ist genau die richtige Vorgehensweise. Wir im Senegal könnten allerdings einen vierwöchigen Fangstop gar nicht durchhalten.

Gleichwohl gibt es in der Nordsee effektiv überwachte Fangbeschränkungen und Schutzzonen. Ist die Lage im Vergleich zu der in Westafrika nicht geradezu luxuriös?

Keineswegs. Die Nordsee ist stark überfischt. Lokale Fischer haben keine ausreichende Rückendeckung im ungleichen Wettbewerb mit den großen Flotten. So setzt sich die Überfischung fort. Die Schutzzonen für Kleinfischer sind zu klein, die Fangbeschränkungen nicht strikt genug, die Weiterverarbeitung ist in den Händen großer, ausländischer Konzerne. Diese Mechanismen wirken überall.

Aber ihr Land hat doch 2006 nach Protesten der Kleinfischer das Fischereiabkommen mit der EU gekündigt.

In der Zeit der Fischereiabkommen von 1970 bis 2006 haben die Europäer unsere Meere überfischt. Viele Fischarten sind jetzt in ihrem Bestand gefährdet. Die Kündigung des Abkommens hat nur wenig genützt, die Europäer haben weiter Zugang zu unseren Fischgründen: Mit Joint Ventures haben sie ihre Schiffe umgeflaggt. Als vermeintliche Senegalesen fischen sie nun weiter. Genauso gehen in der Nordsee niederländische Fischereikonzerne vor. Für uns sind die Folgen dieser Piraterie fatal. Das Land hat immer weniger vom Fischfang. Im Gegenteil: Einheimischer Fisch wird für uns zu teuer. Immer öfter müssen wir billige Fischkonserven aus Portugal und Spanien kaufen.

Nach wie vor ist der Export von Fisch die wichtigste Devisenquelle ihres Landes.

Nur wenige profitieren davon. Praktisch alles, was exportiert wird, wird in Europa weiterverarbeitet. Diese Wertschöpfung geht für die Bevölkerung verloren. Hinzu kommen die Folgen für unsere Ernährung: Die von den großen Flotten überfischten, küstennahen Schwarmfische sind für uns ein Grundnahrungsmittel. Die UN-Ernährungsorganisation FAO hat kürzlich darauf hingewiesen, dass ihr Schwund die Nahrungsmittelversorgung in Westafrika ernsthaft bedroht.

Sollten sich die Europäer künftig komplett von den Gewässern Afrikas fernhalten?

Oh nein. Eine Koexistenz ist ganz bestimmt möglich. Es kommt aber darauf an, was gefangen wird. Edelfische wie der Zackenbarsch sind in ihrem Bestand zu sehr dezimiert, die Schwarmfische wie die Makrele sind für die lokale Bevölkerung wichtig. Andere Arten, wie etwa Thunfisch, könnten aber unter bestimmten Bedingungen durchaus auch auf Lizenzbasis von ausländischen Flotten gefangen werden.

Welche Bedingungen wären das?

Die Wertschöpfung bei uns müsste steigen. Der in unseren Gewässern gefangene Fisch müsste vor dem Export im Senegal weiterverarbeitet werden. Nur so dient es unserer Entwicklung. Dann müsste es endlich funktionierende Untersuchungen über die Entwicklungen der Bestände geben. Daran fehlt es bis heute. Am wichtigsten aber ist Transparenz.

Sie spielen auf die Korruption in ihrem Land an?

Ja. Erst im April habe 18 russische Trawler aus völlig undurchsichtigen Gründen die Erlaubnis bekommen, in unseren Gewässern zu fischen. Sie haben seither 40.000 Tonnen Fisch gefangen und nur einen winzigen Bruchteil des Wertes an die Behörden gezahlt. Nicht ein einziges Kilo ihres Fanges wurde im Senegal weiterverarbeitet, nicht ein einziger Einheimischer von ihnen eingestellt. Doch weil sie rücksichtslos auch die Schwarmfische gefangen haben, blieben unsere Netze leer. Die Preise für die Schwarmfische im Senegal haben sich jetzt verfünffacht. Seit letzter Woche ist Ramadan – und die Menschen können sich keinen Fisch leisten. Das ist eine Katastrophe.

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