Wettbetrug im norwegischen Fußball: Die zerschossene Idylle

Der norwegische Fußball-Drittligist Follo Fk ist das Epizentrum eines Spiel- und Manipulationsskandals. Unter Verdacht stehen klamme Halbamateure.

Das Runde ist im Eckigen. Und Geld hat seinen Besitzer gewechselt. Bild: suze/photocase.com

OSLO taz | Die internationale Wettbetrugsszene kennt keine Sommerpause. Weil im Juli und August in den meisten europäischen Ländern der Ball ruhte, konzentrierte sie sich zu diesem Zeitpunkt auf Skandinavien. Nach Ermittlungen in Finnland im letzten Jahr, die zur Verhaftung des singapurianischen Wettbetrugsprofis Wilson Raj Perumal führten, hat nun Norwegen seinen Wettskandal. Der hat eine internationale und eine lokale Komponente. Beide erschüttern eine Fußballszene, die sich heil, ja, idyllisch wähnte.

Im nahe Oslo gelegenen Örtchen Ski strömen die Menschen aus ihren Sommerhäuschen ins Stadion. Väter tragen ihre kleinen Söhne auf den Schultern, ein paar Jungs laufen Hand in Hand mit ihrer Freundin. Ganze Familiengruppen machen sich mit den blauweißen Schals des Fußballclubs Follo FK auf den Weg.

Sogar ein Hund ist in ein Leibchen dieses derzeit in der dritten norwegischen Liga spielenden Vereins gesteckt. Viel ist nicht los in dieser 26.000 Einwohner zählenden Gemeinde, die ihren Namen nicht dem Wintersportgerät, sondern einer skeiši genannten Pferderennbahn verdankt. Mütter von Spielern haben fleißig Waffeln gebacken, die nun kostenlos angeboten werden. An improvisierten Ständen verkaufen die jüngeren Geschwister der Spieler Kaffee und selbstgemachte Sandwiches. Es herrscht Volksfeststimmung.

Doch die ist in Ski seit einigen Wochen getrübt. Heerscharen von Journalisten machen dem Klub ihre Aufwartung. Follo FK ist das Epizentrum eines Spiel- und Manipulationsskandals im norwegischen Fußball. Der wurde durch einen anonymen Tipp bei Ole-Björn Fausa, dem Präsidenten und einem der Sponsoren des Vereins, ausgelöst.

Nachforschungen angestellt und die Polizei informiert

„Wir bekamen den Hinweis, dass einer unserer Spieler an einem Treffen im Ausland teilgenommen haben soll, an dem Spielmanipulationen vereinbart wurden. Wir stellten daraufhin Nachforschungen an. Einer unserer Spieler fehlte tatsächlich an einem dieser Tage beim Training. Er verstrickte sich in Widersprüche, als er seine Absenz erklären sollte. Danach entschieden wir, den Verband und die Polizei zu informieren“, erzählt Fausa.

Fausa wurde zudem ein Mitschnitt jenes mutmaßlichen Manipulationsgesprächs angeboten. Als Bestechungssummen wurden darin 100.000 norwegische Kronen pro Spieler genannt, ca. 14.000 Euro, genannt. Für die Halbamateure, die 500 bis 1.000 Euro monatlich erhalten, nicht übel.

Die Anzeige hatte Wirkung. Die Polizei nahm drei Spieler von Follo und einen von Asker, der im Vorjahr bei Follo gespielt hatte, fest. Zwei Spiele beider Vereine – ein 3:4 von Follo nach 3:0-Führung und ein 1:7 von Asker – gelten als manipuliert. Das bestätigt Carl Herman Rune Skjold, Chefinspektor der Ermittlungseinheit für Wirtschafts- und Umweltvebrechen der Polizei in Oslo, der taz.

Beide Male fielen die meisten Tore für die Gegner in den letzten 20 Minuten. Beide Male galten die späten Verlierer Follo und Asker – die derzeit ihre Staffel auch anführen und sich um den Aufstieg in die 2. Liga duellieren – als die Favoriten. Ein drittes Spiel wird noch verdächtigt. Weil die Informationen darüber noch vor dem Anpfiff beim Verband landeten, sagte dieser die Begegnung ab. „Wir ermitteln auch zu den Hintergründen dieser Begegnung“, sagt Chefinspektor Skjold.

Wettbüro in Oslo

Als eine wichtige Figur im Betrugsnetzwerk gilt ein Wettbürobesitzer aus Oslo. Seine Firma Vegas zählte nach Angaben des Sprechers der staatlichen Wettagentur Norsk Tipping, Magne Vikøren, bislang zu den zehn umsatzstärksten aller 4.000 Konzessionsnehmer im Lande. „Er hat sich auf Sportwetten spezialisiert. Den Vertrag mit ihm haben wir mittlerweile aber gelöst“, sagt Vikøren. Ursache sind „merkwürdige Muster bei Wetten“, erklärt Vikøren.

Vor allem die Menge an Wetten auf einzelne Spiele, verwunderte bei einer Tiefenprüfung. Der Wettbürobesitzer soll vor allem die Limits von Norsk Tipping umgangen haben. Sie liegen bei 5.000 Kronen pro Spiel, Terminal und Wetter. Für Vorzugskunden soll er ein Vielfaches dieser Summen platziert haben, vermuten norwegische Medien. „Es geht um sehr, sehr viel Geld, bis zurück in die frühen 2000er Jahre“, betont Chefinspektor Skjold, ohne weiter ins Detail gehen zu wollen.

Der Besitzer von Vegas, der nach 14-tägiger Haft wieder nach Hause zurückgekehrt ist, seinen nur wenige 100 Meter vom Polizeihauptquartier befindlichen Laden in Oslos Innenstadt aber weiter geschlossen hält, soll schon in den Jahren 2000 bis 2005 am Ende einer Informationskette über gekaufte Spiele gestanden haben, die ebenfalls bei Follo ihren Anfang nahm.

Hans-Erik Eriksen, der auf der Website von Follo noch als Trainer fungiert, sich inzwischen aber „in einer Art verlängertem Urlaub“ befindet, wie er der taz per Telefon sagte, hatte zu diesem Zeitpunkt als Spieler von Follo Informationen über feststehende Resultate für Geld an Leute aus dem Wettmilieu weitergegeben.

Bestechungssummen kassiert

Eriksen betont, niemals selbst Spiele manipuliert zu haben. Aber er ließ seine Klienten in dem Glauben, dass weitere Spieler mit im Boot seien und kassierte die Bestechungssummen. „Das war eine ganz dumme Sache in meiner Vergangenheit. Sie hat nichts mit den aktuellen Vorfällen zu tun. Doch jetzt musste ich das zur Sprache bringen“, sagt Eriksen. Aus „etwas Angst“ vor den Leuten aus dem Milieu scheut er derzeit die Öffentlichkeit.

In Norwegen sind die Wettbetrüger sehr professionell vorgegangen. „Vor und bei den beanstandeten Spielen ist uns nichts aufgefallen. Erst retrospektiv ergeben sich einige Fragen. Aber ich wäre schon sehr überrascht, wenn jemand, der auf Wettbetrug aus ist, eine staatliche Lotterie mit ihren vielen Einschränkungen dafür nutzt“, sagt Norsk Tipping-Sprecher Vikøren.

Seine Buchmacher haben aber festgestellt, dass auf dem asiatischen Wettmarkt zumindest bei einem Spiel mit norwegischer Beteiligung – der Europa League-Qualifikation zwischen Alesund und Tirana am 26. Juli 2012 – ungewöhnlich viele Wetten auf ein Spiel mit mindestens fünf Toren gesetzt wurden.

„Normalerweise gehen die Quoten in den letzten Minuten eines Spiels hoch, weil die Wahrscheinlichkeit eines Torerfolgs ja geringer wird. Hier gingen sie wegen der Menge an gesetzten Wetten aber herunter“, erklärt im Monitoring-Studio von Norsk Tipping der Buchmacher für Livewetten.

Schwerer Schatten

Das Spiel endete 5:0, die letzten beiden Treffer fielen in der Schlussviertelstunde. Die Uefa leitete eine Untersuchung ein. Ob dabei etwas herauskommt, ist fraglich. „Ich bin sehr gespannt, ob die privaten Wettanbieter aus Asien ihre und wir unsere Daten herausgeben und mit der Polizei zusammenarbeiten“, sagt Vikøren mit gehöriger Skepsis in der Stimme. Geschehen ist so etwas bisher noch nicht.

Im Stadion von Ski hat sich über die sonstige Festtagsstimmung ein schwerer Schatten gelegt. Eine gute Erfahrung immerhin hat Vereinsboss Fausa gemacht: Ehrlichkeit zahlt sich aus. „Es war eine harte Entscheidung, zur Polizei zu gehen und gegen die eigenen Spieler vorzugehen. Wir haben befürchtet, dass uns Sponsoren den Rücken zukehren.

Aber das Gegenteil ist eingetreten. Manche haben ihre Zuwendungen sogar erhöht. Und die Leute in der Umgebung unterstützen uns“, meint Fausa. Er hat die Hoffnung, dass sein Beispiel andere Vereine anspornt: „Ich kann mir vorstellen, dass es andere Präsidenten gibt, die auch von Gerüchten über Schiebungen gehört haben. Sie sollten dann aktiv werden.“

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