Widerstand im Westjordanland: Allerlei fabrizierte Anklagen

Der gewaltlose Protest gegen den Trennungszaun nervt die israelischen Besatzungsbehörden. Deshalb wollen sie die Anführer endlich hinter Gitter bringen.

Palästinenser demonstrieren vor einem israelischen Soldaten. Bild: dpa

Die erste Freitagsdemonstration am Neujahrstag 2010 in dem palästinensischen Ort Bilin gilt nicht nur dem israelischen Trennungszaun, sondern hat noch zwei andere Ziele. Zum einen erinnern die Demonstranten an den Jahrestag des Gazakrieges, zum anderen fordern sie die Freilassung des Organisators der wöchentlichen Demonstrationen, Abdullah Abu Rahmah.

Erst vier Tage zuvor hat ein israelisches Gericht die Dauer der Untersuchungshaft gegen Abu Rahmah, der am 10. Dezember in Ramallah bei einer nächtlichen Razzia festgenommen worden war, um 101 Tage verlängert. Der israelische Militärstaatsanwalt wirft dem 39-jährigen Lehrer illegalen Waffenbesitz, Aufwiegelung und das Werfen von Steinen vor. Als Beleg für den Waffenbesitz dienen dem Staatsanwalt abgeschossene israelische Tränengasgranaten, die in Bilin in einer Art Ausstellung zusammengetragen worden sind.

Natürlich wurde die Gruppe palästinensischer, israelischer und internationaler Demonstranten wie seit nunmehr fast fünf Jahren auch an diesem Freitag von israelischen Soldaten mit Tränengasgranaten und gummiummantelten Stahlkugeln bei ihrem Marsch zum Zaun unter Beschuss genommen. Nicht anders erging es einer ähnlichen Demonstration in dem Ort Nilin bei Bethlehem, in dem nach dem Vorbild Bilins ebenfalls freitags eine wöchentliche Demonstration gegen den Zaun stattfindet. Hier wurde ein achtjähriger Junge von einer Stahlkugel am Kopf schwer verletzt und in ein Krankenhaus nach Ramallah gebracht.

Seit einem halben Jahr geht die israelische Militärverwaltung im besetzten Westjordanland mit massivem Einsatz gegen den gewaltfreien, aber hartnäckigen Widerstand vor. Dieser Zeitpunkt erscheint nicht ganz zufällig. Im Juni 2009 begann in Montreal ein Prozess gegen zwei kanadische Firmen. Das Volkskomitee in Bilin hat die Firmen Green Park International und Green Mount International wegen Beteiligung an Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gericht gebracht, weil sie an dem Bau israelischer Siedlungen auf dem Land des Dorfes Bilin beteiligt sind. Nach kanadischem Recht ist die Anklage zulässig.

Seit Ende Juni haben die israelischen Militärbehörden deshalb ihre Gangart gegen die gewaltlosen Demonstranten verschärft. Wöchentliche Razzien in Bilin und Nilin, Festnahmen und Einschüchterungen sind an der Tagesordnung. Seit Prozessbeginn in Kanada sind in Bilin 32 Einwohner von israelischen Soldaten festgenommen worden, 21 von ihnen befinden sich derzeit noch in Haft.

In Nilin wurden in den vergangenen 18 Monaten sogar insgesamt 89 Personen von den Militärbehörden eingesperrt. Die Vorgehensweise der Armee ist dabei immer die gleiche. In der Nacht gegen zwei Uhr fahren zwischen 30 und 50 Soldaten mit ihren Jeeps in die Dörfer ein und beginnen mit ihren nächtlichen Razzien, so zuletzt am 29. Dezember in Bilin, wo die Armee zwei Jugendliche im Alter von 16 Jahren einkassierte.

Das erklärte Ziel der israelischen Militärverwaltung ist es nach Angaben des Rechtsanwalts Gaby Lasky, der die Gefangenen von Bilin und Nilin vor Gericht vertritt, den Demonstrationen gegen den Zaun ein Ende zu bereiten und dabei alle verfügbaren legalen Mittel einzusetzen. Dazu zählen nach Angaben des Anwalts auch Verhörtechniken, mit denen festgenommene Jugendliche dazu gebracht werden sollen, gegen die Organisatoren der Volkskomitees auszusagen. Bis auf Abu Rahmah wurden bislang aber alle Koordinatoren von Bilin mangels Beweisen wieder auf freien Fuß gesetzt. Im Falle des Führungsmitglieds Mohammed Khatib befand das Gericht sogar, dass die vorgelegten Beweise gefälscht waren.

Noch einen anderen Erfolg kann sich der gewaltlose Widerstand ans Revers heften. Anlässlich der Feiern zu ihrem Gründungstag am 1. Januar nahmen erstmals hochrangige Vertreter der größten palästinensische Partei, al-Fatah, an den Demonstrationen in Bilin und Nilin teil.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.