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Leichtathletik in DeutschlandShow auf Tartan

Cologne Athletics will die Leichtathletik modernisieren – mit Entertainment. Bei der Weltmeisterschaft in Tokio sollen sich erste Erfolge zeigen.

Imke Onnen springt für Cologne Athletic in die Weltspitze, Lausanne, August 2025 Foto: Beautiful Sports/Imago

Berlin taz | Am Wochenende startet die Leichtathletikweltmeisterschaft in Tokio. Vier Jahre nach den Olympischen Spielen kehren die deutschen Leichtathletinnen und Leichtathleten nach Japan zurück – und sie haben ein klares Ziel: eine Medaille. Denn die Erinnerung an das Desaster von der WM in Budapest 2023 sitzt tief: Damals reiste das deutsche Team ohne eine einzige Medaille nach Hause.

Doch um die Leichtathletik steht es in Deutschland bekanntlich nicht gut: geringe mediale Aufmerksamkeit, schwache internationale Ergebnisse, ein Absturz in der Weltrangliste. Doch einer will das ändern: Claus Dethloff. Der ehemalige Weltklasse-Hammerwerfer und heutige Unternehmer hat sich eine Mission gesetzt: die Leichtathletik in Deutschland neu aufzustellen.

Vor vier Jahren gründete Dethloff den Verein Cologne Athletics, der mittlerweile Ableger in Frankfurt, Leipzig, Ostwestfalen-Lippe, Düsseldorf, Hamburg, München, Berlin und im Saarland hat. Angefangen hat aber alles in Köln, erzählt Claus Dethloff. Als langjähriger Leistungssportler habe er im Verein seiner Kinder gemerkt, dass das deutsche Leichtathletiksystem so nicht funktioniert.

Man kann nicht einfach sagen, dass wir mehr Geld brauchen

Claus Dethloff, Cologne Athletic

Köln war ein Trauerspiel. Bei den Deutschen Jugendmeisterschaften waren nur vier, fünf Leute, und das fand ich lächerlich für eine Millionenstadt“, sagt Dethloff. Es kam die Idee auf, etwas Eigenes zu gründen – und das hat nun Erfolg. Später schuf Dethloff den Dachverband Germany Athletics. Das ist ein Franchisesystem, das Leichtathletikvereine in Metropolregionen bündelt und die Sportart bundesweit stärken soll.

„Wir sind auf einem absteigenden Ast“

Claus Dethloff erzählt aufgebracht über die aktuelle Situation der Leichtathletik in Deutschland. „Wir sind auf einem absteigenden Ast. Da kann man auch nicht sagen, dass wir mehr Geld brauchen. Ich glaube eher, dass wir uns im System selbst abgeschafft haben.“ Vorhandenes Geld werde schlecht verteilt, bleibe in Geschäftsstellen hängen und erreiche weder Ath­le­t*in­nen noch Trainer*innen.

Das habe auch zur Folge, dass kleinere Vereine aussterben. Dabei sind die essenziell für den Nachwuchs. Darum setzt Dethloff auf Basisarbeit. Ein Kernstück seines Konzepts ist eine Schulsportoffensive, die Kinder frühzeitig mit Leichtathletik in Kontakt bringen soll. „Wir müssen jetzt Neuland betreten, sonst haben wir in fünf Jahren keine Athleten mehr“, warnt er.

Das zweite Problem sieht Claus Dethloff in der fehlenden Strahlkraft: Leichtathletik ist keine Marke und auch nicht unterhaltsam. Meist gibt es pro Jahr nur zwei Großereignisse, die mediale Aufmerksamkeit erzeugen. Für eine Fanbindung sei das viel zu wenig.

Dethloffs Vision: ein Ligensystem mit regelmäßigen Wettkämpfen, gerne auch disziplinspezifisch und verbunden mit mehr Entertainment. Er denkt zum Beispiel an ein Städtederby: Berlin gegen Köln, das zum Klassiker werden könnte. „Leichtathletik könnte auch Fußball sein. Die Hälfte der Fußballfans geht zu den Spielen, weil da geile Stimmung ist. Da müssen wir auch hin.“

Zu wenig Festivals, zu wenig Fanbindung

Neben dem Showfaktor geht es Dethloff auch um die Rahmenbedingungen für Sport­le­r*in­nen. Das aktuelle Fördersystem sei zu unsicher: Wer nicht im Kader steh, etwa wegen Verletzungen oder einer vorübergehenden Leistungsstagnation, fällt schnell durchs Raster. „Bis zu 30 Prozent Potenzial könnten wir freischalten, wenn Athleten sich voll auf den Sport konzentrieren könnten und mehr Sicherheit hätten.“

Seine Ideen stoßen jedoch nicht nur auf Zustimmung. Kri­ti­ke­r*in­nen werfen den Athletics-Klubs vor, erfolgreiche Ath­le­t*in­nen abzuwerben. „Konkurrenz kann produktiv sein – wenn sie fair ist“, sagt Julia Riedl, Geschäftsführerin der LG Stadtwerke München. „In diesem Fall erleben wir jedoch ein Modell, das versucht, sich einen Vorsprung durch den Zugriff auf bereits fertig entwickelte Athleten und Athletinnen zu verschaffen“, so Riedl in der „Sportschau“.

Dethloff weist diese Kritik entschieden zurück: Die Sport­le­r*in­nen seien aus eigenem Antrieb zu ihm gewechselt und seine Vorschläge zur Kooperation mit etablierten Vereinen seien stets abgeblockt worden.

Unabhängig von der Kritik: Das Modell zeigt Wirkung. Bei der WM in Tokio starten gleich sieben Athlet*innen, die einem Athletics-Klub angehören – darunter Weltklasse-Hochspringer Tobias Potye und Imke Onnen. Diese Ath­le­t*in­nen hat er bereits von seinem System überzeugt – mal sehen, ob er es auch in der restlichen Leichtathletik-Szene schafft.

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