Wiederbegegnung der taz-Urgesteine: Plötzlich wird ein Stammtisch draus

Wie aus einem nostalgischen Wiedersehen unverhofft ein neuer Anfang nach 40 Jahren erwuchs.

Ein tazziges Treffen mit Kaltgetränk und frei von alt-deutscher Wimpel­romantik Bild: Unsplash/Mnm All

von TORBEN BECKER

Es ist September 1978. Eine Art Seismograf muss her, schnell. Unklar ist noch die Ausrichtung des Messinstruments, sicher dafür der Gegenstand: die Schwingungen und Erosionen des linksalternativen Milieus. Mit der ersten Nullnummer, der ersten Vermessung, trat damals die taz auf den Plan.

Mit ihr sollte die Welt studiert und dann neu, gerechter, friedlicher und freier justiert werden, eröffnete Vera Gaserow, Mitbegründerin der taz, im September 2018 das Editorial der Jubiläumsausgabe zu 40 Jahren taz-Nullnummer. Einige der Gründer*innen, oder wie manche sie nennen: das taz-Urgestein, produzierten an diesem Tag, wie vor vierzig Jahren die erste, gemeinsam die 11.742ste taz-Ausgabe – ein nostalgisches Wiedersehen mit Neuanfang.

Als die Urgesteine teilweise nach jahrelanger Abwesenheit die Jubiläumsausgabe produzierten, war die Zusammenarbeit „überraschend locker, denn wir haben uns früher ja ständig gezofft“, erzählt Thomas Hartmann, der von 1985 bis 1987 Chefredakteur war und heute das alternative taz-Tourismusprojekt „Reisen in die Zivilgesellschaft“ organisiert. „Aber die alten Grabenkämpfe spielen heute nicht mehr so eine große Rolle.“

Viel Utopie, wenig Geld

Das habe einerseits mit wohlwollender Altersgutmütigkeit zu tun, andererseits wussten alle Beteiligten, dass es im Gegensatz zu früher „um nichts mehr“ ging: Nicht mehr darum, eine linksradikale und für alle sichtbare Schneise in die Medienlandschaft zu schlagen, „denn dafür waren wir einfach nicht mehr verantwortlich“, so Hartmann.

Die erste Nullnummer wurde mit wenig Geld, spärlichem Handwerkswissen dafür mit umso mehr Utopien gemacht. Seither hat sich die taz zur tagesmedialen linken Hausnummer gemausert: Das neue taz-Gebäude in der Friedrichstraße zeugt von Beständigkeit und Nachfrage und gilt seit Jahren als Sprungbrett, nicht nur für Jungjournalist*innen.

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„Auch deshalb hatte die gemeinsame Arbeit an der Nullnummer etwas Nostalgisches, klar. Denn das taz-Sein von damals war emotional verbindlicher. Heute ist das Arbeiten bei der taz ein angenehmer Job und in vielem professioneller geworden“, erklärt Hartmann. Die Welt rotiert heute anders als früher, auch für die taz. Das mache die Zeitung aber nicht zu einem unpolitischen Projekt. Im Gegenteil, wie manche Ehemaligen hat auch das Blatt alte Kanten und Zähne verloren, dafür neue hinzubekommen.

taz im Lebenslauf

Nach der Jubiläumsausgabe war der Wunsch groß, den wiedergewonnenen Kontakt mit alten tazler*innen nicht versanden zu lassen. Ausgehend von einem E-Mail-Verteiler der „Urgesteine“ organisierte Hartmann Anfang Februar den ersten „Stammtisch der Ehemaligen“ in der taz-Kantine. Die 12 Teilnehmer*innen, darunter Michael Sontheimer, Gitti Hentschel und Vera Gaserow, waren sich einig: Dieser Stammtisch muss Tradition werden.

So wird künftig Charly Amannsberger aus der alten Münchner taz-Initiative den alle zwei Monate stattfindenden Stammtisch organisieren. Egal ob jung, alt, abgeschieden oder abgehoben, die einzige Teilnahmebedingung ist die taz im Lebenslauf. „Es sind ja kaum noch Leute aus der alten Riege im Haus“, auch deswegen sei es spannend, mit Ehemaligen in Kontakt zu kommen.