Wiener ÖPNV-Jahreskarte wird teurer: Verkehrswende rückwärts
Schlechte Nachrichten für die Nutzer:innen des ÖPNV in Wien: Der Preis der Jahreskarte für Bus und Bahn steigt weiter. Autoparkplätze bleiben günstig.
Inflationsbedingt wurde das Klimaticket mittlerweile teurer. Und auch der Preis für die Wiener Jahreskarte steigt kräftig: Ab 2026 kostet sie 467 statt 365 Euro. Einzelfahrscheine werden spürbar teurer, Ermäßigungen für Senioren fallen weg. Dabei hatte der frisch wiedergewählte Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) noch im Frühjahr versprochen, dass die Jahreskarte nicht teurer werde.
Es handelt sich um die erste Preissteigerung der Jahreskarte seit ihrer Einführung. Der Anstieg erregt auch deshalb Unmut, weil das Autofahren in Wien weiterhin vergleichsweise günstig bleibt. Zwar verteuern sich ab 2026 Kurzparkscheine um 30 Prozent, Bewohner-Parkkarten kosten 13 statt 10 Euro pro Monat. Damit bleiben sie aber immer noch hoch attraktiv. Für 156 Euro kann man das eigene Auto im öffentlichen Raum für ein Jahr abstellen – also um ein Drittel der Kosten für eine ÖPNV-Jahreskarte.
Die Wiener Linien begründen die Preiserhöhung mit der Inflation und mit dem erweiterten Öffi-Netz. Seit 2012 wurden 36 zusätzliche Bus- und Straßenbahnlinien geschaffen. Trotzdem wird die Versorgung von vielen als schlechter wahrgenommen: längere Intervalle, volle Wagen, mehr Ausfälle. Es fehlt an Personal, der öffentliche Verkehr hält mit der wachsenden Bevölkerung Wiens nicht Schritt.
Die Sozialdemokraten verteidigen jeden Parkplatz
Offen bleibt, wie viele Menschen sich die stark verteuerte Jahreskarte nun nicht mehr kaufen wollen oder können. In einem aktuellen Interview mit der Zeitung Die Presse deutet Geschäftsführerin Alexandra Reinagl an, dass eine schrittweise Erhöhung vielleicht auf mehr Akzeptanz gestoßen wäre. Andererseits hätten die Wiener*innen nun länger von günstigen Preisen profitiert.
Den selbst gesteckten Klimazielen Wiens – CO2-Neutralität bis 2040 – werden die höheren Preise nicht dienlich sein. Zwar ist der Anteil des Autoverkehrs am Gesamtverkehr auf 25 Prozent gesunken. Dennoch wächst die absolute Zahl der Autos weiter. Die Sozialdemokraten verteidigen jeden Parkplatz eisern, der Ausbau des Radnetzes läuft schleppend. Zudem will die Stadt am Bau der umstrittenen Lobau-Autobahn festhalten – symptomatisch für ihre Verkehrspolitik.
Am Freitag fand eine erste Demo gegen die verteuerten Öffis statt. Längst schießt sich auch die rechtsradikale FPÖ gegen den „Gebühren- und Abgabenwahn“ ein. Und auch die Grünen, nunmehr in Opposition, kritisieren die Teuerung.
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