Wiener Uni-Rektor über deutsche Studenten: "Kein grundsätzliches Problem"

Heinz Engl spricht über die "Piefke-Invasion" an Österreichs Hochschulen und die Aussicht, dass Deutschland für die Betreuung der deutschen Studierenden zahlt.

Viele Studenten aus Deutschland: Ein Beobachter verfolgt die Eignungsprüfung zum Medizinstudium in Österreich mit dem Fernglas. Bild: ap

taz: Herr Engl, die Uni Wien hat 30.000 Voranmeldungen - die Studierenden klagen, dass sie in die Seminare, die sie brauchen, gar nicht hineinkommen. Manche Universitäten stöhnen jetzt über eine "Piefke-Invasion". Sie auch?

Heinz Engl: Von den Unis wird dieses Wort nicht verwendet. Aber es sind deutlich mehr deutsche Studierende an den österreichischen Unis als früher. Der Anteil der Studierenden aus Deutschland bei den StudienbeginnerInnen liegt heuer bei rund 30 Prozent. In den letzten Wochen wurde die starke Belastung der Unis auf die sogenannte "Deutscheninvasion" zurückgeführt. Das ist bei uns in Wien nicht der Hauptgrund. Das mag für grenznahe Universitäten wie Innsbruck und Salzburg anders sein. Auch bei uns ist die Anzahl der Deutschen gestiegen. Aber es ist ja die Studierendenzahl auch insgesamt gestiegen. Wir wollen eine international orientierte Universität sein, wir wollen ausländische Studierende. Ich sehe darin kein grundsätzliches Problem. Österreichs Unis, insbesondere die Uni Wien, sehen sich als europäische Universitäten in Österreich.

Gibt es denn mehr Deutsche an Österreichs Universitäten als österreichische Studierende an europäischen Unis?

Der 58-jährige Mathematiker ist seit Oktober Rektor der Universität Wien, zuvor war er Vizerektor. Gastprofessuren u. a. in den USA, Großbritannien und Deutschland.

Es studieren allein von der Universität Wien pro Jahr über 2.000 Studierende über Mobilitätsprogramme im Ausland. Das ist der gelebte europäische Hochschulraum. Die neuen Zahlen gibt es noch nicht. Natürlich haben wir jetzt das Problem der doppelten Maturajahrgänge in Deutschland. Aber das wird ja nicht ewig anhalten. Das ist der große Erfolg des europäischen Hochschulraums. Österreichs Studierende leben von der Mobilität, und wir brauchen welche, die von außen reinkommen.

Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle will in Deutschland Kompensationszahlungen für die Betreuung der deutschen Studierenden einfordern.

Einfordern kann mans ja. Die Frage ist, ob mans bekommen wird. So etwas passt nicht zum europäischen System.

Es gibt doch für einige Fächer eine Inländerquote …

Ja, im Bereich der Medizin. Die Medizinische Fakultät ist seit 2004 eine eigenständige Universität.

Seit Jahren diskutiert man über Zugangsbeschränkungen. Sind die ein brauchbares Lenkungsinstrument?

Den Lenkungseffekt erreicht man - natürlich nur beschränkt - durch Information. Wir haben heuer zu Beginn des Sommers ziemlich stark für die MINT-Fächer geworben: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik. Das hat dazu geführt, dass die Voranmeldungszahlen in diesen Fächern deutlich gestiegen sind. Aber wirklich lenken können wir nicht, weil wir außer in wenigen Fächern - zum Beispiel in Psychologie - keine Zugangsbeschränkungen haben. Der offene Hochschulzugang bleibt gewahrt.

Und die gefürchteten Knock-out-Prüfungen?

Die Prüfungen werden natürlich entscheidend sein. Aber das Ziel ist nicht, nur eine bestimmte Anzahl von Studierenden durchzulassen, sondern die Prüfungen sind inhaltlich anspruchsvoll gestaltet. Wer durchkommt, kommt durch.

Wenn 80 Prozent durchkommen …

… haben wir ein Betreuungsproblem. Aber es sind immerhin 80 Prozent, die gezeigt haben, dass sie für das Studium geeignet sind. Das ist eine neue Situation. Wir müssen sehen, was rauskommt. Wir beginnen ja erst.

Seit Jahren gibt es in der Politik einen Streit über Studiengebühren. Wie stehen Sie dazu?

Meine Position ist: Wir sind staatliche Universitäten - autonom, aber staatlich finanziert. Ob die Unis von Steuermitteln oder durch Studiengebühren finanziert werden, das zu entscheiden ist Aufgabe des Bundes. Für uns ist es wichtig, eine ordentliche Finanzierung zu haben. Der österreichische Gesetzgeber hat 2001 Studiengebühren eingeführt und sie ein paar Jahre später durch Parlamentsbeschluss weitgehend wieder abgeschafft. Die Politik muss sich endlich zu einer klaren Entscheidung durchringen. Für uns ist nur wichtig, dass die Universitäten ihren Aufgaben gemäß finanziert werden.

Sie haben alle möglichen Varianten erlebt. Gab es Auswirkungen auf Anzahl der Studierenden und soziale Schichtung?

Das kann ich nicht beantworten. Die Anzahl ist nach Abschaffung der Studiengebühren wieder angestiegen. Mit den Gebühren hat sich das Tempo des Studierens etwas beschleunigt. Ob das eine allgemeingültige Aussage sein kann, weiß ich nicht, dafür gab es in Österreich zu oft gesetzliche Änderungen.

Vor zwei Jahren versuchte die "Uni brennt"-Bewegung, inhaltliche Reformen und bessere Finanzierung durchzusetzen. Wie stehen Sie dazu?

Mir gefällt das Wort "Uni brennt" nicht. Eine Uni sollte nicht brennen. Man muss in der Bewegung mehrere Phasen unterscheiden. Die studienbezogenen Beschwerden zu Beginn waren berechtigt: überlaufene Studienrichtungen, überstarke Verschulung des Studiums, zu viel Reglementierung. Inzwischen ist das zum Teil aufgenommen worden.

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