Wirkung der Europäischen Zentralbank: Allmächtig und doch machtlos

Die EZB erfülle mehr Aufgaben, doch ihre Instrumente seien ausgereizt, so das Max-Planck-Institut. Heute sei sie mehr Zentralplanerin denn Bank.

Ein Wolkenkrazer mit schrägem Dach vor Abendrot

Ein Koloss in der europäischen Finanzwelt, aber hilflos gegenüber den Eskapaden des Kapitalismus Foto: dpa

HAMBURG taz | Es wird wohl eine ruhige letzte Sitzung vor der Sommerpause. Der EZB-Rat wird am Donnerstag bei den Leitzinsen wahrscheinlich alles beim Alten lassen – trotz neuer Risiken durch Brexit und Bankenkrise in Italien. Die Europäische Zentralbank hat mit ihrer Geldpolitik in den letzten Jahren ja auch viel bewegt: „Mit einem minimalistischen Mandat gestartet, ist die EZB heute allgegenwärtig im Finanzsystem der Eurozone“, schreibt das Kölner Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung (MPIfG) in einer neuen Studie.

Doch die Allmacht der „Zentralplaner“ stoße an Grenzen. Ihre Instrumentarien seien ausgereizt: Der Leitzins nahe null Prozent kann kaum unterboten werden. Und dennoch ist die Inflation weiter viel zu niedrig, die Konjunktur lahmt in weiten Teilen Europas. Die Regierungen hatten die EZB im Maastrichter Vertrag 1992 mit maximaler Unabhängigkeit und minimalistischem Auftrag versehen: Allein die Geldwertstabilität sollte sie sicherstellen. 25 Jahre später hat sich auf dem Papier nur wenig geändert. In der Praxis hingegen hat das Pendel in die andere Richtung ausgeschlagen, sagt Max-Planck-Forscher Benjamin Braun. Die EZB habe sich „vom Geiste“ ihres Mandats längst verabschiedet. „Heute erinnert die EZB eher an eine Zentralplanerin als an eine Zentralbank.“

In seiner Untersuchung weist Braun auf die „konsequent expansive Logik“ der Geldpolitiker hin. Die gewachsene Hauptrolle der Zentralbanken sei eine Folge sich ausdehnender Finanzmärkte. Diese Expansion begann bereits vor der Finanzkrise von 2007/2008. Das Ende der Kapitalverkehrskontrollen und die Deregulierung des Bankensektors seit den 1980er Jahren setzten die „Finanzialisierung“ in Gang. Und trugen zu einem Paradigmenwechsel bei: Die Finanzpolitik – bis dahin das volkswirtschaftliche Steuerungselement von Parlamenten und Regierungen – wurde entmachtet, die Zentralbanken wurden zu scheinbar allmächtigen „Zentralplanern“.

„Eine Umkehr ist auch ein knappes Jahrzehnt später nicht absehbar“, sagt Braun. Politik und Öffentlichkeit erwarteten heute geradezu, dass die EZB durch ihre Niedrigzinspolitik die Wirtschaft „ankurbelt“. Inzwischen nimmt die EZB auch Einfluss auf die griechische Staatsverschuldung und das dortige Rentenniveau, finanziert französische Konzerne und beaufsichtigt 129 Großbanken der Eurozone, 21 davon in Deutschland.

Anderseits nimmt die Kritik zu. „Die Festlegung in der europäischen Bankenunion auf die EZB als Bankenaufsichtsinstanz war falsch“, kritisiert der Sprecher der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik, Professor Heinz-Josef Bontrup. Die „Wirtschaftsweise“ Isabel Schnabel wirft der EZB vor, in Italien zu spät reagiert zu haben.

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