Wirtschaftliche Kooperation mit Indien: Erwartungsmanagement 4.0

Beim Delhi-Besuch der Kanzlerin wird die Kluft zwischen der Ungeduld der Wirtschaft und der wachsenden politischen Anerkennung deutlich

Merkel (links) und Modi (rechts) stehen sich gegenüber

Angela Merkel und Narenda Modi am Montag in Delhi: freundliche Gesten, große Worte, wenig Konkretes. Foto: Adman Abidi/reuters

Wer hohe Erwartungen weckt, riskiert Enttäuschungen. Diese Erfahrung hat nicht nur Indiens Premierminister Narendra Modi schon gemacht. Der deutsche Botschafter in Delhi, Martin Ney, der vor dem Indien-Besuch der Bundeskanzlerin angekündigt hatte, sechs deutsche MinisterInnen würden an den 3. Regierungsverhandlungen teilnehmen, konnte Sonntagabend nur eine geschrumpfte Delegation begrüßen.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte abgesagt, weil in der Rüstungskooperation keine Vertragsabschlüsse erreicht wurden, vor allem nicht der Verkauf sechs deutscher U-Boote. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel sagte ab, weil sein indischer Counterpart Arun Jaitley in den USA offenbar Wichtigeres zu tun hatte.

Trotzdem hat sich die bilaterale Kooperation in den letzten Jahren vertieft und intensiviert. „Ihre Führung ist eine Quelle des Vertrauens für Europa und die Welt“, sagte Gastgeber Modi über Angela Merkel und drückte damit aus, wie Deutschland in Indien gesehen wird: als Führungsmacht Europas.

Doch wächst die Kluft zwischen der Ungeduld der Wirtschaft und der verstärkten politischen Anerkennung. „Man muss schon aufpassen, dass man nicht zynisch wird“, sagte ein Teilnehmer der deutschen Wirtschaftsdelegation, der seit Jahren im Indien-Geschäft ist. Korruption, fehlende Rechtssicherheit, Probleme mit der Steuer, marode Infrastruktur stehen immer wieder auf der Klageliste ausländischer Investoren. „Überall auf der Welt muss man zuerst Energie und Infrastruktur haben und dann kommt die Industrie“, sagte Siemens-Chef Joe Kaeser in einer Debatte über Lieblingsprojekte der Modi-Regierung, Smart Cities und Industrie 4.0, die vierte industrielle Revolution, die viele in Indien für verfrüht halten.

An indischen Schulen wird Deutsch statt Sanskrit gelehrt

Nach Modis charismatischem Auftritt auf der Hannover Messe hatten deutsche Unternehmer geglaubt, nun werde sich tatsächlich schnell etwas ändern. „Wenn nicht in den nächsten vier Monaten mehr passiert, werden wir uns nach anderen Investitionsstandorten umschauen,“ sagte ein deutscher Manager fast schon resigniert. Viele deutsche Unternehmen hätten in Indien bereits große Überkapazitäten.

Eines der 14 am Montag unterzeichneten Abkommen beinhaltet denn auch die Einrichtung eines so genannten Fast-Track-Systems für deutsche Unternehmen in Indien. Details wurden aber noch nicht bekannt. Konkreteres hatte Außenminister Frank-Walter Steinmeier zu bieten: die Wiedereinführung von Deutsch als Fremdsprache an indischen Schulen. Das war erst kürzlich zugunsten von Sanskrit aufgegeben worden, was jetzt zurückgenommen wird. 80.000 indische Kinder können jetzt weiter Deutsch lernen.

Im Entwicklungsbereich sind zwei Abkommen zur Berufsausbildung und zu Klimawandel und Energie im Vorfeld der COP 21 Verhandlungen in Paris hervorzuheben. Deutschland stellt Indien in den nächsten fünf Jahren eine Milliarde Euro an Krediten für Solarenergie bereit. „Deutschland“, so Modi, „ist ein natürlicher Partner für uns bei der Transformation Indiens“. Wie weit das geht, hängt auch davon ab, ob Modi seine Versprechen einlösen kann.

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