Wissenschaftsjournalismus: Wes Brot ich ess', des Lied ich sing'

Wer bezahlt über Wissenschaft schreibt, steht unter dem Verdacht, nur ein Sprachrohr der „Scientific Community“ zu sein. Es ist nicht besser geworden.

Lecker Stulle. Aber wer hat sie bezahlt? Bild: dpa

BERLIN taz | Zum Jahresende häufen sich für die deutschen Wissenschaftsjournalisten die Termine in eigener Sache: Preisverleihungen und Fachkonferenzen stehen an, wie in dieser Woche die dreitägige „Wissenswerte“ in Bremen.

Zum „Familientreffen“ der Wissenschaftsschreiber, ausgerichtet vom Berufsverband Wissenschafts-Pressekonferenz (WPK), kamen rund 500 Teilnehmer nach Bremen. Nächste Woche findet in Dresden das jährliche „Forum Wissenschaftskommunikation“ statt, das die Öffentlichkeitsarbeiter aus Forschung und Hochschulen organisieren.

Es wird zwar viel berichtet über Wissenschaft in Zeitungen und TV-Sendungen, dennoch ist der unabhängige Wissenschaftsjournalismus derzeit einem doppelten „Medienstress“ ausgesetzt, der sich mit dem Zeitungssterben aktuell weiter verschärft hat.

Trend 1: In den Verlagen wird unter Kostendruck vor allem der Rotstift bei politisch „leichtgewichtigen“ Ressorts wie der Wissenschaft zuerst angesetzt. Jetzt rächt sich, dass es in deutschen Medien keine ausgeprägte Berichterstattung über Wissenschaftspolitik gibt.

Wie der Bundestag über die Finanzprobleme der Forschungsorganisationen diskutiert, etwa jüngst die Millioneneinbußen durch Umsatzsteuer-Nachzahlungen bei der Helmholtz-Gemeinschaft, ist für Wissenschaftsjournalisten kein Thema.

Kaum Kontakt zu Fachjournalisten

Trend 2: Jenseits der etablierten Medien haben die Wissenschaftsorganisationen im letzten Jahrzehnt ein eigenes Kommunikationssystem aus öffentlichen Veranstaltungen, kostenlosen Magazinen und zielgruppengerechten Internetangeboten aufgebaut. Der Kontakt zu Wissenschaftsjournalisten – früher ein Muss – wird so verzichtbar.

Begonnen hatte der Kommunikationsaufbruch der deutschen Wissenschaftsorganisationen 1999 mit der Initiative „Public Understanding of Science“ des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft. Seitdem wird durch die gemeinsame Organisation Wissenschaft im Dialog (2,5 Millionen Euro), aber auch durch das Bundesforschungsministerium (zehn Millionen Euro) ein Riesenaufwand an populären Wissenschaftsjahren, Kinder-Universitäten und Schülerlabors, Forschungsschiffen und -zügen inszeniert, um Wissenschaft unters Volk zu bringen.

„Über allen Formaten steht die große Metaerzählung: Wir sind erfolgreich, und um weiter erfolgreich zu sein, brauchen wir euer Geld“, bekannte Volker Meyer-Guckel vom Stifterverband auf der Jahrestagung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte (GDNÄ) im September in Göttingen. Dabei handele es sich letztlich um nichts anderes als um Wissenschaftsmarketing oder Lobbyismus.

Druck der Stiftungen

Immer stärker wird auch der Einfluss von Stiftungen auf den Wissenschaftsjournalismus. Bereits in den 80er Jahren hatte die Robert-Bosch-Stiftung mit einem Förderprogramm für junge Wissenschaftsjournalisten und einer Stiftungsprofessur an der FU Berlin dafür gesorgt, dass sich das Nischenressort in den Redaktionen emanzipieren konnte.

Die Journalistenkonferenz „Wissenswerte“ kam vor neun Jahren erst mit Geldern der Bertelsmann-Stiftung auf die Beine. Vor wenigen Monaten hat die Stiftung des Milliardärs und SAP-Gründers Klaus Tschira am Karlsruhe Institut of Technology zehn Millionen Euro in den Aufbau eines Nationalen Instituts für Wissenschaftskommunikation (NaWik) investiert. Es soll Wissenschaftlern helfen, sich besser verständlich zu machen.

Nächste Neuerung soll für Deutschland der Aufbau eines Science Media Centers (SMC) sein, das von den WPK auf der Bremer Konferenz vorgestellt wurde. Nach dem Vorbild Großbritannien, wo es ein derartiges Zentrum bereits seit zehn Jahren gibt, sollen im SMC Wissenschaftler für tagesaktuelle „Feuerwehreinsätze zu Forschungsfragen“ bereitstehen.

Filter gegen Fehldarstellungen

Bei Naturkatastrophen oder gesellschaftlichen Debatten zu Medizin und Technik sollen auf diese Weise präzise und korrekte Informationen in die Medien wandern, quasi ein wissenschaftlicher Filter gegen journalistische Fehldarstellungen. Getragen werden müsste die Aktion von der Wissenschaft oder einem anderen öffentlichen Finanzgeber.

Auch das Treffen der Bremer Wissenschaftsjournalisten findet künftig nicht mehr ohne Geld der Forschungsinstitute statt. Nachdem im vergangenen Jahr durch Auslaufen der Stiftungsfinanzierung die „Wissenswerte“ vor dem Aus standen, erklärten sich die großen deutschen Forschungsorganisationen jetzt bereit, für fünf Jahre eine Sockelfinanzierung zu übernehmen. Hilfe zum Überleben, die dankend angenommen wird, aber manchem Journalisten auch Unbehagen auslöst: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.

In der Tat wird die Finanzierungsfrage das Zukunftsthema des unabhängigen Wissenschaftsjournalismus sein. Neue Ansätze wie Crowdfunding, das eine Direktfinanzierung durch den Leser zu erreichen sucht, stecken in Deutschland noch so sehr in den Anfängen, dass sie in Bremen nicht einmal diskutiert wurden.

Leser = Crowd = Cash

Im Oktober startete der Kölner Wissenschaftsjournalist Thomas Reintjes seinen Versuch eines Crowdfunded Magazine mit dem Titel Feodo. Die Idee: „Journalisten stellen bei Feodo ihre Themen, Ideen und Konzepte vor. Die Leser, die Crowd, suchen die vielversprechendsten heraus, indem sie sie mit Geldbeträgen unterstützen.“

Die voll finanzierten Ideen werden dann umgesetzt und im Onlinemagazin Feodo publiziert. Doch die Sprunglatte war zu hoch gelegt: Statt der angestrebten 10.000 Euro wurden nur 2.083 Crowd-Euro gespendet. Im nächsten Jahr will Reintjes einen neuen Anlauf unternehmen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.