Wochenzeitung "Freitag" vor Relaunch: Links in eine neue Zeit

In zwei Wochen erscheint die Wochenzeitung "Freitag" in neuer Form. Verleger Jakob Augstein will sie zum modernen linken Blatt machen - und beantwortet Leserbriefe.

Die Leserschaft der Wochenzeitung "Freitag" ist Marketing gegenüber wenig aufgeschlossen. Bild: Screenshot www.freitag.de

Jakob Augstein ist ein sehr lebendiger, jugendlich wirkender Mann, obschon die Schläfen des 42-Jährigen bereits ergrauen. Während der Journalist, der auch Miteigentümer des Verlags Rogner & Bernhard ist, und, da Sohn Rudolf Augsteins, auch Minderheitseigner des Spiegels, von seinem neusten Baby, der Wochenzeitung Freitag, erzählt, wird er regelrecht aufgeregt - mit seinem Bürostuhl fährt er stets vor und zurück; zurück, wenn er zuhört oder referiert, vor, wenn er eine besondere Eigenschaft des Blattes, das Anfang Februar runderneuert erscheinen wird, hervorheben möchte. Jakob Augstein ist auf eine beindruckende Weise einnehmend, keine Frage.

Ganz anders ist der Freitag, er zeigt sich eher steif. Das liegt an der Tradition, in der das Blatt steht. Seit der Gründung 1990 steht im Impressum: "Hervorgegangen aus dem Sonntag, Ostberlin, gegründet 1946 vom Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands, und der Volkszeitung, ehemals Deutsche Volkszeitung, gegründet 1953 in Düsseldorf von Reichskanzler a. D. Dr. Joseph Wirth, und der Tat, gegründet 1950 in Frankfurt/M. von der VVN." Das ist umständlich, doch das Umständliche war dem Freitag von Beginn an eigen. Die damalige "Ost-West-Wochenzeitung" versuchte anders, als es später etwa die ostdeutsche Wochenpost oder die neu gegründete Woche taten, ein plurales linkes Spektrum zu repräsentieren.

In ihren besten Zeiten gelang es der Redaktion, den Spagat auszuhalten und Positionen aus Ost und West gegeneinanderzustellen, man ließ undogmatische Linke auf hüftsteife Parteikader treffen und versuchte zu erklären, was sich seit dem Mauerfall änderte und wie es zu kritisieren war. In ihren schlechtesten Zeiten jedoch zerriss all dies die Zeitung, und man konnte, während im Kulturteil etwa Georg Seeßlen einen Hollywood-Film klug analysierte, im Politikteil antiamerikanische, von Antiimperialismusthesen kaum noch gestützte Dummheiten lesen.

All das tat dem Freitag nicht gut, er verlor an Bedeutung und Auflage, im letzten Quartal 2008 verkaufte er noch 12.421 Exemplare. Als Augstein die Zeitung im Juni 2008 kaufte, waren manche nicht nur vom Kauf an sich überrascht; die Tatsache, dass es das Blatt überhaupt noch gab, galt bereits als Nachricht.

Augstein investiert nun in nicht geringem Maße - wie viel genau, verrät er nicht. Die Seitenzahl wird nach dem Relaunch von 20 auf 28 pro Woche steigen, der Copypreis von 2,90 Euro aber erst einmal nicht, der Internetauftritt wird ebenso wie das Layout komplett überarbeitet und die Zahl der Redaktionsmitglieder hat sich auf rund 30 verdoppelt. Zum Relaunch wird sogar eine größere Anzeigenkampagne gestartet, eine Ausnahme, wie Augstein versichert, denn die Leserschaft der Wochenzeitung sei Marketingmaßnahmen gegenüber wenig aufgeschlossen.

Der Freitag soll luftiger aussehen, die Texte jedoch wieder stärker geerdet werden. Selbst im Internet soll das Blatt kein Newsmagazin werden, der neue Freitag, der sich weiterhin auf seine Traditionen besinnen wird, solle, versichern die Macher, vor allem ein kritischer Begleiter der Leser werden.

Und um seine skeptische Leserschaft buhlen. Augstein, als Verleger auch "Mitglied der Chefredaktion", beantwortet seit Wochen höchstpersönlich Leserbriefe, gerade die sensible Frage, warum es denn nun Anzeigen von Markenartiklern im Blatt gibt, beschäftigt die Leserinnen und Leser sehr. Und so, wie in der Volkszeitung manch ein Leserbriefschreiber zum Autor aufstieg, will auch der Freitag seine Leser stärker einbinden. "Wenn Sie möchten, schreiben Sie uns eine Literaturrezension oder eine Sachbuchkritik", fordert Chefredakteur Philip Grassmann, der von der SZ zum Freitag gewechselt ist, in der aktuellen Ausgabe auf. Augstein versichert, dass, sofern der Artikel gut ist, dieser auch in die Printausgabe übernommen werden könnte - und das zu den üblichen Honorarsätzen für freie Autoren. Zugleich startet eine Kooperation mit dem britischen Guardian, von dem einige Texte übernommen werden. Augstein und sein Team wollen ein dezidiert linkes Blatt machen, das ist ihre erklärte Absicht. Es ist mutig, aber nicht abwegig, gerade in diesen Zeiten ist eine kritische Leserschaft vorhanden. Geht der alte linke Traum von einem "linken Hugenberg" also doch in Erfüllung? Es wird sich zeigen, wie weit der Mut und das Geld reichen werden.

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