Wohnraum in München: Polizei für bedrohtes Haus

In München-Schwabing stellt die Stadt ein Haus unter Polizeischutz – um es vor seinem Eigentümer zu schützen. Der will es abreißen lassen. Aus Gier.

Die Skyline von München

Hat man ein freies Grundstück in München, kommt das einer Lizenz zum Gelddrucken nahe. Foto: Klaus-Peter Wolf/imageBROKER/picture alliance

MÜNCHEN taz | Holztreppen, knarzende Dielen, hohe Decken, vielleicht sogar Stuck – solche Altbauten finden sich in München nicht mehr viele, die meisten dieser Jugendstilhäuser fielen im Zweiten Weltkrieg den Bomben zum Opfer. Doch einige gibt es noch. Und umso glücklicher wähnt sich, wer heute noch in solch einem Haus wohnen darf.

Die Vermieterperspektive freilich ist eine andere: Die Gebäude bieten wenig Wohnfläche im Verhältnis zur Größe des Grundstücks, auf dem sie stehen. Oft sitzen darin auch noch widerspenstige alte Mieter mit vergleichsweise günstigen Mietverträgen. Und wenn es ganz blöd läuft, wird das Haus irgendwann auch noch unter Denkmalschutz gestellt. Kurzum: Ein solches Haus ist eine einzige Altlast, die es schnell loszuwerden gilt. Denn hat man erst mal ein freies Grundstück in München, kommt das einer Lizenz zum Gelddrucken schon verdächtig nahe.

Beispiel Agnesstraße. Allerbeste Münchner Gegend. Schwabing. Hier hat Helmut Dietls Filmfigur Franz Münchinger, besser bekannt als „Monaco Franze“, gewohnt – oder vielmehr seine Gattin, eine wohlsituierte Antiquitätenhändlerin. Ein paar Blocks weiter ist die Hausnummer 48. Ein Eckhaus, ganz früher war hier unten mal ein Tante-Emma-Laden drin.

Dieses schöne Haus wird nun von der Polizei bewacht. Wohlgemerkt das Haus, nicht seine Bewohner. Denn die sind alle schon ausgezogen. Jetzt geht es nur noch darum, das verwaiste Gebäude vor seinem Eigentümer zu schützen, sprich: vor der Abrissbirne. Denn nachdem der Eigentümer seine Mieter in klassischer Manier davon überzeugt hatte, dass sie woanders doch wesentlich günstiger und ungestörter wohnen könnten, beantragte er den Abbruch des Hauses.

Abriss bei Nacht und Nebel

Doch bei diesem Spiel wollten das Landesamt für Denkmalpflege und das Referat für Stadtplanung und Bauordnung nicht mitmachen. Ersteres trug das Haus prompt in die Bayerische Denkmalliste ein, Zweiteres untersagte in der Folge den Abriss. Für jede bauliche Veränderung ist nun die Erlaubnis des Referats vonnöten.

Man habe jetzt, so teilte die Stadtverwaltung mit, die örtliche Polizeidienststelle um Amtshilfe gebeten, ungenehmigte Abbrucharbeiten zu verhindern. Dass dies keine übertriebene Vorbeugungsmaßnahme ist, zeigt ein Beispiel aus dem Stadtteil Giesing. Dort wurde vor zwei Jahren quasi über Nacht widerrechtlich das Uhrmacherhäusl abgerissen. Eines der letzten Gebäude seiner Art – schon fast 180 Jahre alt und ebenfalls unter Denkmalschutz.

Münchner wandten sich an die Stadt

SPD-Oberbürgermeister Dieter Reiter zeigte sich sichtlich erfreut über die Rettung des Hauses in der Agnesstraße und sprach von einem „Stück Schwabinger Geschichte“, das nun erhalten bleibe. Viele Münchner hatten sich in den letzten Tagen an das Stadtoberhaupt mit der Bitte gewandt, den Abriss des Hauses zu verhindern.

Den bisherigen Mietern bringt das allerdings nichts mehr. Letzte Woche sind die letzten von ihnen, die Familie Sajko, ausgezogen. Der Münchner Abendzeitung hatten sie zuvor noch ihre Geschichte erzählt. Über vier Generationen wohnten die Sajkos schon in dem Haus. Doch vor zwei Jahren starb die Vermieterin, die Tochter verkaufte das Haus.

Der neue Eigentümer hob die Mieten an, soll die Bewohner des Hauses mit unnötigen Baumaßnahmen schikaniert haben. Familie Sajko weigerte sich bis zum Schluss, das Haus zu verlassen. Doch irgendwann wohnten sie allein in einem Geisterhaus. „Einmal standen plötzlich alle Wohnungstüren offen“, erzählte Julia Sajko der Zeitung. Das sei ganz schön unheimlich gewesen. Schließlich waren auch sie mürbe. Das Haus steht seitdem leer.

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