Wohnungsbauoffensive in Hamburg: 40.000 Wohnungen, wo der Verkehr braust

Um sein Wohnungsbauprogramm zu erfüllen, will der Senat Wohnungen direkt an die Haupterkehrsstraßen bauen.

Immer was zu gucken: An Hauptstraßen passiert auch mal was, wie hier der Wasserrohrbruch in der Bahrenfelder Chaussee Foto: Bodo Marks/dpa

HAMBURG taz | Manfred Braasch findet das Konzept gut. „Endlich reagiert Rot-Grün auf die Problematik, dass der Flächenverbrauch in Hamburg deutlich zu hoch ist“, lobt der Hamburger Chef der Naturschutzorganisation BUND das neue „Magistralenkonzept“. Hinter diesem sperrigen Begriff verbirgt dich Plan, Wohnungsbau in Zukunft verstärkt an den Hauptverkehsadern, den sogenannten Magistralen, anzusiedeln – dort wo die Luft- und Lärmbelastung am höchsten ist. Eine Idee, die auf den ersten Blick absurd wirkt.

Doch die Landesregierung meint es ernst. Soll die Stadt wachsen, ohne allzu viel Grün für Wohnungsbau zu opfern, müssen neue Konzepte her. Durch die ehrgeizigen Wohnbaupläne der kommenden Jahre werden die meisten innerstädtischen Brachflächen bebaut, Gewerbebrachen und Kasernengelände, aber etwa auch die Bahrenfelder Trabrennbahn für Wohnungsbau genutzt, Baulücken geschlossen und Dachgeschosse ausgebaut werden.

Um danach weiter jährlich 10.000 neue Wohnungen ohne allzu große Naturzerstörung zu errichten, müssen neue Bauflächen her. Die werden gebraucht. Laut einer aktuellen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) wird Hamburgs Bevölkerung bis 2035 um rund 162.000 Einwohner auf fast zwei Millionen Menschen wachsen.

„Die Magistralen bieten in fast allen Bezirken ein großes Nachverdichtungspotential“, heißt es nun in einem rot-grünen Antrag, der heute von der Bürgerschaft voraussichtlich beschlossen werden wird. Da Hamburgs Hauptverkehrsadern und Ausfallstraßen, oft nur über eine ein- bis zwei stöckige Randbebauung verfügen, könnten hier durch Aufstockungen- und fünf- bis sechsgeschossige Neubauten innerhalb von zwanzig Jahren nach Senatsschätzungen theoretisch 100.000 Wohnungen entstehen. Die CDU-Opposition nennt gar eine Zahl von 120.000 möglichen Wohneinheiten.

Eimsbüttel hatte als erster Bezirk beschlossen, verstärkt an Hauptverkehrsadern neue Wohnungen zu bauen. Erste Beispiele sind an der Hoheluftchaussee zu sehen.In Altona könnten laut einer Studie an der Luruper Hauptstraße, der Sülldorfer und der Osdorfer Landstraße 20.000 Wohnungen entstehen

„Mehr Wohnraum an Hauptstraßen kann es nur mit einer Verkehrswende, mit deutlich weniger Lärm und Abgasen geben“, betont Manfred Braasch. Das sieht auch der Stadtentwicklungsexperte der Grünen, Olaf Duge, so. „Individalverkehr mit Diesel- und anderen Verbrennungsmotoren wird es in heutigen Umfang dann nicht mehr geben“, prophezeit der Bürgerschaftsabgeordnete. Natürlich sähe er sich als Befürworter des Magistralen-Konzepts ständig mit der Frage konfrontiert: „Wer will unter heutigen Bedingungen schon an einer Hauptstraße wohnen?“

Duge und sein SPD-Kollege Dirk Kienscherf verweisen auf verbesserten Schallschutz, die Möglichkeit, Bäder und Küchen zur Straßenseite, die Wohn- und Ruhebereiche aber auf der straßenabgewandten Seite zu bauen und neue Wohnblöcke mit großen, grünen Hinterhöfen zu errichten. Doch dafür neben einer Verkehrwende müssen noch Baustufenpläne verändert und Investoren überzeugt werden, solche Konzepte zu realisieren.

„Wir rechnen damit dass das in etwa 40 Prozent aller Fälle möglich sein wird“, prognostiziert Kienscherf. Rund 40.000 Wohneinheiten könnten dann tatsächlich an den großen Verkehradern wie der Bramfelder, Wandsbeker oder auch der Luruper Chaussee entstehen.

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