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Wohnungsmangel in BremenBauen, jetzt aber hurtig

Bremen ändert seine Bauvorschriften, um billiger und schneller zu werden. Das große Vorbild ist Hamburg – doch Bremen grenzt sich auch ab.

Soll schneller gehen: Neubau in Bremen Foto: Melissa Richter/dpa

Effizienter, schneller, mehr: Bremens Bausenatorin ist begeistert, von dem, was sie auf der Pressekonferenz in Bremen vorstellen kann. Pünktlich zum angekündigten „Bauturbo“ auf Bundesebene zeigt das Bundesland Bremen, wie es sich selbst den Weg zum kosteneffizienten Bauen vorstellt.

Vor ziemlich genau einem Jahr hatte der Senat eine sechsköpfige Senatskommission zu dem Thema gebildet; im Frühjahr wurden Arbeitsgruppen eingesetzt. In über 30 Treffen haben seitdem insgesamt 100 Beteiligte einen Katalog von über 200 Maßnahmen durchgearbeitet. Im Wesentlichen zwei Wege will man gehen: Gesenkte Standards sollen das Bauen billiger machen. Und gestraffte Prozesse in der Verwaltung sollen das Bauen schneller machen.

Ins Haus geholt hatte man sich dafür die Expertise der Beratungsfirma Neitzel Consultants: Michael Neitzel hatte kurz zuvor den gleichen Auftrag für Hamburg erfüllt. Das gilt mit seinem Hamburger Weg seit Februar als Pionier des einfachen Bauens. Und so ist es kein Wunder, dass im jetzt vorliegenden Abschlussbericht ein Großteil der Maßnahmen auf den Hamburger Plänen aufbaut.

Die Einsparungen an Zeit lassen sich noch nicht so genau beziffern, aber für das Finanzielle gibt es bereits eine Prognose: Satte 1.250 Euro pro Quadratmeter sollen die Maßnahmen einsparen helfen – in etwa ein Drittel also: Heute liegen die Baukosten bei 3.600 bis 4.500 Euro pro Quadratmeter. Die (prognostizierte) Einsparung ist ein bisschen geringer als in Hamburg, aber schließlich sei man auch noch nicht am Ende des Prozesses; weitere Maßnahmen würden noch folgen.

Energiestandards hatte Bremen schon gesenkt

Im Energiebereich hatte Bremen schon im vergangenen Jahr Standards gesenkt: Bis dahin hatte der Zwei-Städte-Staat für seine eigenen öffentlichen Gebäude einen hohen Energieeffizienzstandard (EH 40) vorgegeben; im Mai 2024 wurde der wieder auf den schlechteren Bundesstandard (EH 55) zurückgesetzt.

Bei weiteren energetischen Standards will Bremen aber nicht so rigoros kürzen, das zumindest suggeriert ein erster Blick in den gerade veröffentlichten Abschlussbericht. In einigen Punkten grenzt sich der erreichte Konsens klar vom großen Vorbild, dem Hamburger Standard, ab, gerade auch in Bezug auf die Dämmung: So soll sich in Hamburg der Schutz von Häusern vor Hitze in Zukunft am Jahresdurchschnitt orientieren. In Bremen will man sich weiter an „Peaks“, also an einzelnen Hitzetagen orientieren. Schließlich ist der Wärmeschutz an diesen Tagen am wichtigsten.

Satte 1.250 Euro pro Quadratmeter sollen die Maßnahmen einsparen helfen

Und während der Hamburg Standard vorsieht, Treppenhäuser im Keller nicht zu dämmen, weil das „unverhältnismäßig aufwendig“ sei, argumentiert man in Bremen, dass ein schlecht gedämmtes Treppenhaus am Ende zu höherem Energieverbrauch führt – die Bremer Arbeitsgruppe lehnt diese Hamburger Maßnahme daher ab.

Tatsächlich muss Bremen auch teilweise höhere Standards ansetzen, wenn es seine eigenen Ziele ernst nimmt: Bis 2038 will die Stadt klimaneutral sein; in Hamburg steht seit dem Volksentscheid das Ziel 2040, bei Verabschiedung des Hamburg-Standards war es noch 2045.

Senkung bei Schallschutz und Barrierefreiheit

Beispiele für gesenkte Standards, die besonders viel Geld einsparen können, nennt Arend Bewernitz, Abteilungsleiter Stadtplanung in der Baubehörde: Im Bereich des Schallschutzes müssen Terrassen und Balkone nicht mehr extra vor Lärm geschützt werden. Das allein könne bei einem Neubauprojekt je nach Größe eine sechs- bis siebenstellige Summe einsparen. Und: In Zukunft sei es bei Neubauten wohl auch wieder möglich, ohne Müll- und Fahrradräume zu planen; Müll und Fahrräder müssen dann freilich wieder anderswo unterkommen, „das macht natürlich was mit dem Stadtbild“, so Bewernitz.

Fünf Ressorts und der Bürgermeister waren beteiligt an der Senatskommission, die im Oktober 2024 ihre Arbeit aufgenommen hat: Neben Bausenatorin Özlem Ünsal auch Bremens Sozialsenatorin, die Wirtschaftssenatorin sowie der Finanzsenator und die Umweltsenatorin. Ünsal lobt die ressortsübergreifende Zusammenarbeit, die Kooperation, das gute Miteinander. Doch bei der Pressekonferenz sitzen nur Ver­tre­te­r*in­nen von Bau- und Finanzbehörde.

Dafür sind auch zwei Ver­tre­te­r*in­nen der privaten Bauwirtschaft zugegen. Sie geben sich weitgehend zufrieden mit dem Erreichten: „Wir haben uns mit acht Leuten in der Arbeitsgruppe eingebracht“, sagt Peter Sakuth von der Arbeitsgemeinschaft Freier Wohnungsbau. „Optimal eingebracht, muss ich sagen. Wir sehen, welche Spuren wir hier hinterlassen.“ Das Bauressort lobt er sehr für die Bereitschaft, alles auf den Prüfstand zu stellen.

Die anderen Ressorts, deutet er an, seien nicht ganz so willig gewesen. Immer noch gebe es Probleme, die nicht hätten geklärt werden können, etwa in Bezug aufs Solargesetz. „Und das, obwohl die Fakten alle da sind.“ Im Bericht selbst ist das Solargesetz nicht als strittig vermerkt – nur als „noch zu behandeln“.

Davon gibt es einige Maßnahmen im sogenannten „Themenspeicher“ des Arbeitskreises. Nur eine einzige Maßnahme ist tatsächlich als „strittig“ eingestuft, optisch rot hervorgehoben: Das Umweltressort hatte die neue Baumschutzverordnung erst diesen Sommer verabschiedet – da will man nun nicht gleich wieder davon abrücken. Aber offenbar will auch die Baubehörde – oder die Baulobby im Gremium – an diesem Punkt nicht kleinbeigeben: Vor einem Bauvorhaben alle Bäume zu kartieren und in ihrer Schutzwürdigkeit zu beurteilen, sei viel zu aufwendig.

Was noch völlig fehlt im Bericht, ist ein Blick auf Baustandards bei Bestandsgebäuden. Dabei hätte das auch vom Umweltressorts als Erfolg verbucht werden können: Die Umnutzung und der Umbau von Bestandsgebäuden ist viel weniger umwelt- und klimaschädlich als ein Neubau. Der Abschlussbericht, so betont allerdings Ünsal auch, sei eigentlich „der erste Auftakt des Bremer Wegs.“

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