Wohnungssuche von Flüchtlingen: In der eigenen Küche kochen

Immer mehr Flüchtlinge werden anerkannt und müssten nun aus dem Heim in eine Wohnung ziehen. Doch die Suche ist schwierig.

Eine Frau steht vor einem Herd und bereitet Essen vor

Lieber in die eigene Wohnung: Eine Frau bereitet Essen in einer Flüchtlingsunterkunft vor Foto: dpa

BERLIN taz | Untermiete zum Beispiel, das wäre eine Möglichkeit. „Aber wie ist es dann mit dem Kochen?“, fragt Demsas Bisrat*, „darf ich die Küche den ganzen Tag benutzen, wenn ich nur ein Zimmer habe? Und was ist, wenn mein Cousin aus Stuttgart zu Besuch kommt?“

Bisrat, Eritreer, gehört zu den rund 90.000 Asylsuchenden, die im ersten Quartal dieses Jahres als Flüchtling anerkannt wurden, also in Deutschland bleiben dürfen. Damit aber muss er aus dem Mehrbettzimmer im Flüchtlingsheim bei Potsdam raus und in eine eigene Wohnung oder Wohngemeinschaft ziehen. Eigentlich.

„Es ist schwer, etwas zu finden“, sagt Bisrat, „am liebsten möchte ich alleine wohnen.“ Als anerkannter Flüchtling ist jetzt das Jobcenter für ihn zuständig, er bekommt Leistungen nach Hartz IV. In Potsdam gibt es für Flüchtlinge ein kleines Kontingent bei einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft. Im Schnitt finden darüber monatlich etwa 30 Flüchtlinge eine neue Bleibe, berichtet Jan Brunzlow, Sprecher der Stadtverwaltung. Die Nachfrage beträgt aber ein Mehrfaches.

Bundesweit sind in diesem Jahr mehr als 300.000 Flüchtlinge zu erwarten, die einen Schutzstatus bekommen und damit eine eigene Wohnung brauchen, wenn man die Anerkennungszahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom ersten Quartal 2016 hochrechnet. Die Flüchtlinge wollen vor allem in Regionen bleiben, wo Verwandte oder Landsleute sind. Nach Statistiken der Bundesagentur für Arbeit leben beispielsweise viele Syrer in Bremen, Afghanen in Hamburg, Iraker in Bielefeld. Berlin ist bei allen sehr begehrt.

In Berlin plant man Modulbauten für die Neuankömmlinge und will darin jetzt auch abgeschlossene Wohnungen errichten und weniger Gemeinschaftszimmer und -küchen. Berlins Sozialsenator Mario Czaja (CDU) möchte außerdem die Angemessenheitsgrenzen für Sozialmieter nach unten öffnen. Denn dann kann das Jobcenter Flüchtlinge – wenn sie dem zustimmen – auch in kleinere Wohnungen einquartieren. Die Regel des sozialen Wohnungsbaus, dass für jeden Haushaltsangehörigen ein Zimmer zur Verfügung stehen muss, gilt dann nicht mehr.

Die Vorurteile der Vermieter

Standards absenken, Einfachbauten errichten sind umstrittene Möglichkeiten, der neuen Wohnungsnachfrage zu begegnen. Da es sich um viele alleinstehende Männer handelt, wären auch Untermietverhältnisse oder Wohngemeinschaften denkbar. „Viele Flüchtlinge sind skeptisch bei Wohngemeinschaften, weil sie aus einer Gemeinschaftsunterkunft kommen und ihnen das Konzept der Wohngemeinschaft neu ist“, sagt Anna Nieweler, Mitarbeiterin des Vermittlungsvereins Kontaktstelle Wohnen in Leipzig, der auch Plätze in WGs vermittelt. Die Frage, wer wie lange die Küche belegt und dort wieviel Besuch empfangen darf, kann eine interkulturelle WG auf eine harte Probe stellen.

Sich allein auf den freien Wohnungsmarkt zu begeben, ist für Flüchtlinge besonders schwer. „Da ist schon mal die Sprachbarriere beim Ausfüllen der Formulare“, sagt Havva Aydemir, Flüchtlingsberaterin bei der Gesellschaft für Sozialarbeit im nordrhein-westfälischen Herne, „dafür bräuchten die Leute Begleitung.“ Aber auch die perfekt Deutsch sprechende Begleitung ist gegen abweisende Vermieter machtlos. „Wenn die Vermieter hören, aha, Flüchtling, dann kommen die Vorurteile“, berichtet Aydemir.

Angesichts der Probleme in den Ballungsgebieten ist es kein Wunder, dass eine alte politische Idee jetzt wieder aus der Versenkung geholt wird: Es ist die Wohnsitzauflage, die auch von der SPD nicht abgelehnt wird und in ein Integrationsgesetz gepackt werden soll. Danach kann der Staat bei Flüchtlingen, die von Hartz IV abhängig sind und keine eigene Wohnung haben, bestimmen, wo sie wohnen sollen. Damit will man verhindern, dass die Flüchtlinge vor allem in Ballungsgebiete gehen, statt sich in dünn besiedelten Regionen anzusiedeln.

Jobcenter zahlt Miete

Eine solche Auflage gab es schon mal zwischen 1989 und 2009 für Spätaussiedler im sogenannten Wohnortzuweisungsgesetz. Dabei konnten auf Sozialhilfe angewiesene Spätaussiedler bestimmten Wohnregionen zugewiesen werden. Die Mehrheit der Aussiedler war mit dem Gesetz durchaus zufrieden, wie eine spätere Auswertung des BAMF ergab. Allerdings wurden eigene Ansiedlungswünsche der Spätaussiedler mit Blick auf deren Verwandtschaftsverhältnisse weitgehend berücksichtigt.

Demsas Bisrat hat nach der Anerkennung als Flüchtling vom Heim zwar die Aufforderung bekommen, auszuziehen. Solange das aber nicht klappt, zahlt das Jobcenter eine Miete an das Heim. Das könnte vielen anderen Anerkannten genauso gehen. Es könnte zum Normalfall werden.

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