Wolfsangriff auf Kinder in Polen: Bissiger Wolf könnte Lockopfer sein

Veranstalter von Fotosafaris füttern Wildtiere und nehmen ihnen so die Scheu vor Menschen. Für die Tiere endet das oft tragisch.

Wolf in einem Gehege

Wild, aber nicht frei: Dieser junge Wolf lebt in einem Gehege im Wildpark Schorfheide Foto: dpa

WARSCHAU taz | Das Rätselraten um den bissigen Wolf im polnischen Bieszczade-Gebirge geht weiter. Er hatte Mitte Juni eine Frau und wenig später zwei spielende Kinder angegriffen und ihnen leichte Bisswunden an den Unterschenkeln zugefügt. Zwar konnte inzwischen durch eine DNA-Analyse des getöteten Tiers festgestellt werden, dass es sich tatsächlich um einen Wolf handelte – und nicht wie vermutet um eine Kreuzung zwischen Hund und Wolf. Doch der Grund für seine „Verhaltensauffälligkeit“ konnte noch immer nicht eindeutig geklärt werden.

Warum hatte dieser kaum einjährige Jungwolf keine Scheu vor Menschen? War er wie im Falle der Wölfin Harda und dem Welpen Dymek von Menschen aus dem Wald mitgenommen und dann in einem Hundezwinger neben einem Wohnhaus gehalten worden? Oder war er von Menschen mit Futter angelockt worden, um Fototouristen das Schießen fantastischer Wolfsbilder zu ermöglichen? Diese Fragen sind nach wie vor offen.

Sabina Nowak, Wolfsexpertin und Vorsitzende des „Vereins für die Natur – WOLF“, warnt auf der Website ihres Vereins nicht nur vor dem Anlegen solcher Lockplätze. Sie appelliert auch an Tierfotografen, sich nicht auf solche Reiseangebote einzulassen. Denn die regelmäßig durch Köder angelockten Tiere – seien dies nun Wölfe, Luchse oder Bären – verlören mit der Zeit die Scheu vor Menschen. Sie gewöhnten sich an die Fütterung wie auch an das Gefilmt- oder Fotografiertwerden. Für die Tiere ende dies irgendwann tragisch, sagt Nowak. Denn sie werden abgeschossen, sobald sie sich zu sehr den Menschen näherten.

So wurde vor einiger Zeit in Sachsen das Todesurteil über einen Wolf verhängt, der sich in Dörfern nahe der Grenze über Essensreste hergemacht hatte. In diesem Fall zeigen die Nachforschungen, dass das Tier mit hoher Wahrscheinlichkeit Opfer einer dieser Wolfsfallen für Fotosafaritouristen geworden war und so seine Scheu vor Menschen verloren hatte.

Touristen sollten keine Reise buchen, bei der Raubtiere durch Köder angelockt werden

Da vor kurzem auch ganz in der Nähe des beliebten Ferienortes Wetlina im Bieszczady-Gebirge solche Fotofallen mit Fleischködern gefunden wurden, liege die Vermutung nahe, so Sabina Nowak, dass auch der Wolf, der die beiden Kinder angegriffen hatte, so seine Menschenscheu verloren habe. Zwar gibt es dafür keine konkreten Beweise, aber diese Erklärung wäre plausibel.

Auf Fotos, die vor kurzen vermehrt aufgetaucht seien, seien immer wieder die gleichen Wölfe zu sehen. Auch dies sei ein Hinweis für eine Fotofalle. Eine der Wölfinnen sei trächtig. Sie werde demnächst wohl mit den Wolfswelpen zum Futterplatz kommen.

Nowak warnt davor, Wolfbilder auf sozialen Netzwerken zu „liken“, die ganz eindeutig alle an einem Ort aufgenommen worden seien. Dies deute auf eine Fotofalle hin. Auch Touristen sollten keine Fotosafari buchen, bei der Raubtiere durch Köder angelockt würden. Dies sei auf den ersten Blick zwar effizient für all jene, die keine Zeit für eine echte Naturbeobachtung mitbringen. Letztlich sei es aber gefährlich – für Mensch und Tier gleichermaßen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.