Wulffs Privatkredit: Stolperfalle Ministergesetz

Ein Verfassungsrechtler beschuldigt Wulff, ein Landesgesetz verletzt zu haben. Es verbiete Regierungsmitgliedern die Annahme zinsgünstiger Darlehen.

Kommt er da wieder raus? Bundespräsident Christian Wulff. Bild: dapd

BERLIN taz | Bundespräsident Christian Wulff könnte mit dem Privatkredit, den ihm eine befreundete Unternehmergattin gewährte, gegen das Ministergesetz Niedersachsens verstoßen haben. "Das Ministergesetz stellt unmissverständlich klar, dass Mitglieder der Landesregierung keine Belohnungen oder Geschenke annehmen dürfen", sagte der Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim am Sonntag der taz.

Verwaltungsvorschriften führten aus, dass darunter auch zinsgünstige Darlehen fallen. "Deshalb hat Wulff gegen das Gesetz verstoßen, da dies auch in Bezug auf das Amt erfolgte."

Der emeritierte Professor für Verfassungsrecht bezieht sich auf das Landesgesetz, das Pflichten und Aufgaben der Regierungsmitglieder regelt. Der für Wulff gefährliche Satz findet sich in Paragraf 5 Absatz 4. Dort heißt es: Regierungsmitglieder dürften "keine Belohnungen und Geschenke in Bezug auf ihr Amt annehmen".

Auch die Grünen in Niedersachsen beziehen sich in ihrer Kritik an Wulff auf diesen Paragrafen. Der Präsident äußerte sich am Samstag gegenüber dpa erstmals persönlich zu den Vorwürfen: "Man muss selber wissen, was man macht. Das muss man verantworten - das kann ich. Und das ist das Entscheidende."

Regel gilt auch für Ministerpräsidenten

Er steht seit Tagen in der Kritik, weil er 2008 als Ministerpräsident Niedersachsens einen Privatkredit über eine halbe Million Euro von der Frau des mit ihm befreundeten Unternehmers Egon Geerkens erhalten hatte. Damit kaufte er ein Haus für sich und seine Frau. Sein Sprecher hatte betont, als Zinssatz seien 4 Prozent vereinbart, fällige Zinsen fristgerecht bezahlt worden.

Der Vorteil für Wulff: Die Zinsen bei Banken lagen damals höher. Gleichzeitig nahm er Geerkens als Regierungschef drei Mal auf Auslandsreisen mit. Stellt sich die Frage: Ist ein solcher Kredit ein Geschenk im Sinne des Ministergesetzes?

Der taz liegen zwei Dokumente vor, die dies nahelegen. Ein für BeamtInnen gültiger Erlass führt aus, was problematische Belohnungen und Geschenke sind. Und er verbietet, bestimmte Leistungen anzunehmen, weil sonst der "Anschein der Empfänglichkeit für private Vorteile" entstehen könnte. Peinlich für Wulff, dass der Erlass auch die "Gewährung besonderer Vergünstigungen bei Privatgeschäften (z. B. zinslose oder zinsgünstige Darlehen …)" als verboten auflistet.

Eine zweite Verwaltungsvorschrift stellt unmissverständlich klar, dass diese Formulierung auch für Minister und den Ministerpräsidenten gilt. Sie fände "sinngemäß auf die Mitglieder der Landesregierung Anwendung", heißt es darin.

Reine Privatangelegenheit?

Der Regierungssprecher Niedersachsens, Franz Rainer Enste, bestätigte gestern, dass die Vorschriften auch für den jeweiligen Regierungschef gelten. "Allerdings ist sehr zweifelhaft, dass Wulff Geerkens auf Reisen mitnahm, weil er den Kredit bekommen hat. Dass also ein Kausalzusammenhang besteht", sagte Enste.

Ähnlich argumentierten Wulffs Anwälte. "Abgesehen davon, dass hier kein ,Geschenk' vorlag, fehlte es an jeglichem Amtsbezug", teilte die von ihm beauftragte Kanzlei auf Anfrage mit. Ebenso betonte sie, der Kredit sei "verkehrsüblich verzinst" worden. Damit wäre der Kredit eine reine Privatangelegenheit unter Freunden.

Doch ist das so? Verfassungsrechtler von Arnim sieht den Bezug zum Amt schon deshalb als gegeben an, weil Wulff Geerkens mehrmals auf Auslandsreisen mitnahm. "Eine lag zeitlich sehr nah am Termin des Kreditabschlusses, zwei weitere fanden während der Laufzeit statt", sagte er. Und: "Diese Mitnahmen bei Reisen stellen amtliche Entscheidungen des damaligen Ministerpräsidenten dar."

Bei dieser Auslegung hätte Wulff das Ministergesetz gebrochen. So, wie er es bereits im Dezember 2009 tat, als er sich Flüge von Air Berlin umsonst in die Business Class hochstufen ließ. Er wäre daher kaum als Präsident haltbar.

Zusätzlich in Bedrängnis bringt ihn die aktuelle Titelgeschichte des Spiegels, in der das Nachrichtenmagazin nahelegt, dass die halbe Million Euro in Wirklichkeit von Geerkens selbst stammt - und nicht von seiner Frau. Träfe dies zu, hätte Wulff das Landesparlament im Februar 2010 belogen. Damals verneinte er auf Anfrage der Grünen eine geschäftliche Beziehung zu Herrn Geerkens. Diesem Vorgang wird sich auch der Ältestenrat des Landtags am Dienstag widmen.

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