Wutbürger in Hamburg: Besorgte Rechtsschaffende

Die AfD wollte am Montag über „Sicherheit“ diskutieren. Dann passierte in Berlin der Anschlag. Es folgte ein Abend mit rassistischen Rufen.

AfD-Demo im November in Hamburg: Hier ist den Rechtspopulisten die Arbeit der Polizei dann wieder willkommen. Foto: Axel Heimken/dpa

HAMBURG taz | Kurz nach 20 Uhr grätscht Thorsten Prenzler in die Diskussion. Im Kaisersaal der Bürgerschaft versucht zu dem Zeitpunkt Polizeipressesprecher Timo Zill am Montagabend bei der AfD-Veranstaltungsreihe „Fraktion im Dialog“ Fragen zur „Innern Sicherheit“ an der Elbe zu beantworten. Dann berichtet AfD-Fraktionsgeschäftsführer Prenzler: Einen Terroranschlag mit neun Toten hätte es in Berlin gegeben. Kurz herrscht Stille unter den rund 150 Besuchern. Dann folgt die Empörung: „Das haben wir immer gesagt“, raunt es aus den Stuhlreihen, „die Merkel hat das zu verantworten.“ Und: „Diese scheiß Kanaken.“

Merkel ist an allem schuld

Wie ein möglicher islamitischer Terroranschlag politisch genutzt werden könnte, wurde in der AfD schon Ende September dieses Jahres überlegt. Eine Idee, die aus der hessischen AfD bei einem Bundeskonvent der Partei vorgeschlagen wurde: große professionelle Plakate mit klarer Botschaft aufzustellen – „Danke, Frau Merkel“.

Im Saal 151 ist am Montag der weitere Verlauf ungewiss. Auf das Podium schauend, fragt Prenzler den Fraktionsvorsitzenden Jörn Kruse, die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Bernd Baumann und Dirk Nockemann sowie einige AfD-Abgeordnete, ob der Abend abgebrochen werden soll.

Statistiken fürs Volk

Ohne lange Diskussion wird fortgesetzt. Im Saal hatte sich schon während des Vortrags von Polizeisprecher Zill mancher Unmut aufgebaut, als dieser zur Sicherheitslage in der Hansestadt Zahlen der Polizei vorstellt. Sein Credo: Man müsse die Fakten kennen, um eine Diskussion führen zu können.

Dass die „überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge keine Straftaten verübt“, erklärt Zill und dass die Einsätze in den Flüchtlingsunterkünften nur leicht gestiegen seien: 2014 lag diese Zahl bei 0,41 Prozent, 2015 bei 0,47 Prozent.

Über eine Stunde bringt er solche Statistiken zu den verschiedenen Delikten – und erntet barsche Zwischenrufe: Die Polizei würde nichts gegen die Antifa machen, die immer wieder „Bürgerkriegszustände“ verursache. Auch bei Übergriffen auf AfD-Mitglieder würde die Polizei nicht handeln.

Polizeisprecher Zill wehrt ab: Weder rechts noch links noch bei Islamismus sei die Polizei „blind“. Sehr wohl würde die Nationalität von Straftätern benannt und bei Flüchtlingen kein „Mantel des Schweigens über Mord und Vergewaltigung“ gelegt. „Wir benennen die Probleme“, sagt Zill.

Eigentlich sollte an dem Abend Polizeipräsident Ralf Martin Meyer vor der AfD sprechen, was wohl auch der Grund war, warum so viele Besucher kamen. Der Auftritt des Polizeipräsidenten hätte allerdings erneut Fragen zum Umgang staatlicher Stellen mit der weit rechten Partei aufgeworfen. Müssen ranghohe Vertreter von Sicherheitsbehörden die AfD mit einem Auftritt beehren? Letztendlich sagte Meyer Montagfrüh aus Krankheitsgründen ab.

Die beste Polizei der Welt

Am Ende des Vortrags von Zill bewegt der unfreundliche Ton, der ihm entgegenschlug, AfD-Mann Baumann dazu einzulenken: „Das war eine heiße Diskussion“, sagt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und bittet Zill: „Sie verstehen den Unmut, danke für die kühle sachliche Darstellung.“ Die verbalen Prügel, die der brave Ordnungshüter da von den AfD-Mitgliedern einstecken musste, waren Baumann dann wohl doch zu viel. Also schiebt er nach, dass die deutsche Polizei doch „die beste auf der Welt“ sei: „Das Problem liegt bei der Politik und Justiz“, sagte Baumann. Die deutschen Richter würden schlicht „linken Utopien“ anhängen.

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