Zahnärztekongress in Greifswald: Soziale Unterschiede beim Karies

Immer gesündere Zähne in Deutschland, mehr Karies in Brasilien oder Polen: Zahnärzte beobachten zum Weltkarieskongress unterschiedliche Trends.

Putzen ist gut. Kariesprophylaxe ist besser. Bild: dpa

GREIFSWALD dpa | In den meisten Industriestaaten haben Kinder immer gesündere Zähne – trotzdem gibt es noch große soziale Unterschiede. In den 1980er Jahren hatten die 12-Jährigen in Deutschland durchschnittlich sieben kariöse Zähne, heute sind es 0,7.

Das entspricht einem Rückgang um 90 Prozent. „Der Kariesrückgang ist eine medizinische Erfolgsgeschichte“, sagte der Zahnmediziner Christian Splieth mit Blick auf die vierte Deutsche Mundgesundheitsstudie. In anderen Ländern sieht die Entwicklung dagegen nicht so gut aus.

Rund 300 Kariesforscher aus 35 Ländern treffen sich seit Donnerstag zum Weltkarieskongress in Greifswald. Zum 61. Jahreskongress der Organization for Caries Research (ORCA) steht die Diagnostik und Behandlung von Karies im Zentrum der Diskussionen.

In Schwellenländern und einigen aufsteigenden Industriestaaten nimmt die Karies zu.„Mit zunehmendem Reichtum steigt in diesen Ländern der Zuckerkonsum“, sagte Splieth. Parallel dazu gebe es aber noch keine etablierten Vorsorgesysteme zur Kariesprophylaxe. Zu diesen Ländern gehörten Brasilien, Litauen und Polen. Dort haben 12-Jährige im Durchschnitt sechs kariöse Zähne, sagte Splieth.

Gruppenprophylaxe an Schulen und Kindergärten

Den Karies-Rückgang in den meisten Industriestaaten führen die Forscher auf konsequentes Zähneputzen und Fluoridgaben zurück. „Seit den 50er und 60er Jahren sind die Ursachen der Karies bekannt“, sagte Splieth. Fluoride in Zahnpasta seien sehr erfolgreich. „In der Gesellschaft hat sich die Auffassung etabliert, dass man nicht mehr wie früher Oma mit einem Totalgebiss enden muss.“

Dazu kämen die Gruppenprophylaxe an Schulen und Kindergärten und die Individualprophylaxe beim Zahnarzt. Zahnprävention bei Kindern ab drei Jahren und bei Jugendlichen sei in Deutschland als Kassenleistung anerkannt. Der Professor beklagt jedoch eine Präventionslücke bei Null- bis Dreijährigen. „Das ist eine politisch gesetzgeberische Lücke, die geschlossen werden muss“, sagte Splieth. „Wir wissen, dass Kinder mit viel Milchzahnkaries auch später mehr Karies im bleibenden Gebiss haben.“

Die Voraussetzungen für Zahnprophylaxe in den ersten drei Lebensjahren haben sich nach Einschätzung des Wissenschaftlers in den vergangenen Jahren verbessert. Kinder besuchten mehr als früher Krippen. Dort könne bereits eine gezielte Prophylaxe einsetzen.

Der Sozialstatus (Berufsstatus und Einkommen der Eltern sowie Schulbildung) spiegelt sich noch immer in der Zahngesundheit wider. Bei 15-Jährigen mit hohem Sozialstatus werden laut vierter Deutscher Mundgesundheitsstudie durchschnittlich 1,4 kariöse Zähne gezählt, bei 15-Jährigen mit niedrigem Sozialstatus 2,1 Zähne mit Karies. Studien in Greifswald hätten aber gezeigt, dass sich mit einem Zahnarzt im Öffentlichen Gesundheitsdienst und einer Prophylaxehelferin die Karieswerte deutlich reduzieren ließen, sagte Splieth.

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