Zeit für eine echte Verkehrswende: Die Waffe Auto muss aus der Stadt

Dass die Bedrohung durch Autos Normalzustand geworden ist, zeigt der Unfall in Berlin mit vier Toten. Privat-Pkws fehlt im urbanen Raum die Daseinsberechtigung.

Viele Autos auf einer mehrspurigen Straße

Sind Autos in der Stadt wirklich nötig? Nein. Foto: dpa

Da diskutiert die Republik wochenlang über elektrisch angetriebene Tretroller. Darüber, wie gefährlich sie sind für Menschen, die sich zu Fuß, auf dem Fahrrad, mit Kinderwagen oder Rollator fortbewegen. Es gibt Debatten über Promillegrenzen und Höchstgeschwindigkeiten. Fußgänger:innen demonstrieren mit Poolnudeln, der Verkehrsminister muss sich für die Genehmigung der Roller rechtfertigen, und die Aufrufe reichen vom sofortigen Wiederverbot bis zur Sabotage mit einem beherzten Wurf in das örtliche Fließgewässer.

Aber Autos? Diese Maschinen, die tagtäglich Menschen schwer verletzen und töten? Scheinen irgendwie Bestandsschutz zu genießen, schließlich rollen sie schon seit Jahrzehnten über die Straßen. Die von ihnen ausgehende Bedrohung ist zum Normalzustand geworden, nur durchbrochen von Momenten wie dem schrecklichen Unfall in Berlin, bei dem vier Menschen ums Leben gekommen sind. In diesen Momenten findet ein kurzes gesellschaftliches Aufwachen statt. Plötzlich taucht die Frage auf: Kann es wirklich sein, dass, ganz gewöhnlich und alltäglich, entsicherte Waffen durch die Gegend fahren? Bei denen schon eine kleine Unaufmerksamkeit, ein gesundheitliches Problem oder eine Wird-schon-nichts-passieren-Haltung genügt, um tödliche Unglücke zu verursachen?

Es ist an der Zeit zu sagen: Nein. Denn auch wenn die Unfallzahlen auf lange Sicht sinken: Die Zahl der tödlichen Unfälle ist immer noch nicht auf null, sie ist nicht einmal auch nur annähernd dort. Und dahin kommt sie auch nicht, wenn die Porsches und Volkswagen künftig elektrisch angetrieben werden, ja vermutlich nicht einmal dann, wenn intelligente Fahrsysteme sie steuern, anstelle von menschlichen Fah­rer:in­nen.

In Richtung null geht die Zahl der tödlichen Unfälle erst, wenn die Autos endlich aus den Städten verbannt werden. Dort fehlt den Privat-Pkws jegliche Daseinsberechtigung. Was sich in ländlichen Gebieten noch mit mangelndem öffentlichen Nahverkehr und langen Strecken zu Supermarkt, Hausärzt:in, Schule und Arbeitsort rechtfertigen lässt, ist in Städten schlichtweg nicht nötig.

Ja, es würde die Bequemlichkeit einschränken, wenn das Privat-Auto aus der Stadt verschwinden würde. Es wäre ein massiver Eingriff in den Alltag von Millionen Menschen, den auch ein phänomenal aufgestellter öffentlicher Nahverkehr vermutlich nur zum Teil kompensieren könnte. Aber ein Verbot von Privat-Pkws in Städten, das hieße eben auch: Es würden deutlich lebenswertere, entschleunigte Orte entstehen, wenn erst einmal die vielen Parkplätze und Teile der Straßen zu Wohnungen, Parks, Schwimmbädern, zu Clubs und Kitas würden.

Die ohnehin nötige Verkehrswende bietet die Chance, diesen Umbruch endlich anzugehen. Nicht in zwanzig Jahren oder der übernächsten Legislaturperiode. Sondern genau: jetzt.

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schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.

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