Zeitungsreform in New Orleans: Mit der 3-Tage-Woche in die Zukunft

Die „Times-Picayune“ stellt ihren Erscheinungsrhythmus um und spart Stellen. Das trifft auf Kritik in New Orleans und Interesse bei anderen Verlegern.

Mitarbeiterinnen der „Times-Picayune“ erfahren, wer in die neue Firma übernommen wird. Bild: dapd

WASHINGTON taz | Die Times-Picayune erscheint immer: „ganz egal ob Hölle oder Hochwasser ist“. So lautete ein Werbeslogan im Herbst 2005.

Das war, nachdem der Hurrikan Katrina durch Louisiana getobt war. Und als die Belegschaft der einzigen Tageszeitung von New Orleans Geschichten über die korrupte Polizei und über die ölverschmutzten Feuchgebiete längs des Mississippi-Deltas recherchierte, für die sie zahlreiche Preise bekam. Darunter den renommierten Pulitzer.

Sechs Jahre später ist das vorbei. Im 175. Jahr ihrer Geschichte wird die Times-Picayune ab 1. Oktober nur noch drei Mal die Woche erscheinen: Mittwochs, Freitags und Sonntags. Produziert, von nur noch der Hälfte der Mitglieder der Redaktion, die zu teilweise deutlich geringeren Löhnen die Arbeit ihrer entlassenen KollegInnen mitmachen werden.

Statt sieben Mal die Woche eine Tageszeitung mit preisverdächtigen Stories zu füllen, werden die verbleibenden JournalistInnen künftig vor allem kleine Häppchen für das Online-Portal Nola.com schreiben. Das ist die laut dem Verleger und der im Bundesstaat New Jersey lebenden Eigentümerfamillie Newhouse die „digitale Moderne“.

New Orleans wird am 1. Oktober die größte Stadt der USA ohne eine Tageszeitung – und sackt noch ein bischen tiefer in die Provinz. Dabei geht es der Times-Picayune im Verhältnis zu vielen anderen Regionalzeitungen in den USA nicht schlecht. Sie schreibt schwarze Zahlen. Hat noch eine tägliche Auflage von 135.000 Exemplaren in der Woche (155.000 am Wochenende). Und nahm im vergangenen Jahr 65 Millionen Dollar mit der Printausgabe und 6 Millionen mit ihrem Online-Portral ein. Doch Verleger Ricky Mathews nennt die „Umstellung“ unvermeidlich. „Wir können nicht groß sein, wenn wir weiterhin sieben Mal die Woche drucken“, sagt er.

Geld sammeln für die Entlassenen

„Wie soll ich eine Woche anfangen, wenn ich nicht am Montag über das Spiel der „Saints“ lesen kann?“, rätselt Kappa Horn: „Nichts kann den sinnlichen Umgang mit einer Zeitung ersetzen. Der angeleckte Finger zum Umblättern. Das Rascheln des Papiers.“ Nachdem die Eigentümerin eines Diner in der Innenstadt wie Hunderte andere Geschäftsleute gegen die verlegerische Entscheidung protestiert und demonstriert hat, sammelt sie jetzt Geld für die 200 Entlassenen der Times-Picayune.

Einige davon treffen sich weiterhin täglich auf Facebook und in den Cafes von New Orleans. Manche träumen noch von einem Einlenken bei der Times Picayune. Andere überlegen, ob eine Alternativzeitung möglich wäre. Errol Laborde, Chefredakteur von einem Monatsmagazin in Louisiana, hat bereits Namen gesammelt. Sie reichen von: L'Abeille – die Biene – bis hin zu New Orleans Trumpet.

Alle in New Orleans – vom Bürgermeister bis zu den BewohnerInnen des durch Katrina zerstörten Stadtteil Ninth Ward – haben die Drei-Tage-Woche kritisiert. Sie befürchten, dass mit der täglichen Zeitung die journalistischen „Watchdogs“ verschwinden werden, die PolitikerInnen und UnternehmerInnen beobachten. Und dass kritische Berichte – wie zuletzt die achtteilige Serie über die Gefängnisindustrie in Louisiana – künftig nirgends mehr einen Platz finden werden.

Hinzu kommt, dass für viele in New Orleans Online lesen keine Option ist: 36 Prozent der Haushalte haben keinen Computer. Doch die Verleger von Times Picayune planen längst für die Zeit mit der Drei-Tage-Woche. Sie haben sie gleichzeitig in New Orleans, und bei ihren Zeitungen in Alabama eingeführt. Bei den Zeitungen, die ihnen in anderen Bundesstaaten gehören, warten sie vorerst noch ab.

Für die Times-Picayune bieten sie jetzt ein drei Dollar billigeres neues Abo an. Aus der 129 Meilen weiter westlich Hauptstad von Louisiana, Baton-Rouge, wo die Tageszeitung The Advocate erscheint, beobachtet Redaktionsleiter Carl Redman das Geschehen bei Times-Picayune sehr sorgfältig. In den letzten Jahren sind die Printauflagen und Abo-Zahlen aller Tageszeitungen in den USA kontinuierlich gesunken. Viele LeserInnen sind zu den Internetausgaben gewechselt. Und viele jüngere haben nie wirklich mit dem Zeitunglesen angefangen.

„Die Times-Picayune wird die anzeigenschwachen Erscheinungstage los“, sagt Redman: „Wenn sie es schafft, an den verbleibenden drei Tagen weiterhin guten Journalismus zu machen und ihre Anzeigenkunden und die meisten Abonnenten zu halten, könnte die Rechnung ökonomisch aufgehen“. In dem Fall – so seine Prognose – wird das Beispiel aus New Orleans Schule machen.

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