Zivilbeamte im „schwarzen Block“ bei G20: Polizisten dürfen sich vermummen

Polizisten sollen sich vermummt in die „Welcome to Hell“-Demo vor dem G20-Gipfel in Hamburg eingereiht haben. Vor Gericht schweigt ein Beamter.

Hinter einem Transparent stehen vermummte Demo-Teilnehmer*innen

Was sehen wir: vermummte Autonome oder vermummte Zivilpolizisten? Offenbar beides Foto: dpa

HAMBURG taz | Der Polizist hielt dicht. Im G20-Verfahren gegen einen mutmaßlichen Flaschenwerfer verweigerte ein sächsischer Beamte am Donnerstag vor dem Hamburger Amtsgericht gleich mehrfach die Antwort auf brisante Fragen des Vorsitzenden Richters und der Verteidigung. Er bezog sich dabei auf eine nur „eingeschränkte Aussagegenehmigung“ seines Dienstherrn, die jede Preisgabe „polizeilicher Einsatztaktiken“ ausdrücklich nicht umfasse.

So blieb auch weiter offen, ob der Beamte und drei seiner sächsischen KollegInnen sich als „Tatbeobachter“ in Zivil vermummt unter die „Welcome to Hell“-Demonstranten am Vorabend zum G20-Gipfel gemischt hatten. Sein Kollege Florian D. hatte vergangene Woche dem Gericht zugegeben, dass er sich dunkle Kleidung angezogen und sich ein schwarzes Tuch „bis unter die Nase“ gezogen hatte. Seine drei KollegInnen hätten sich ebenfalls vermummt, um im „schwarzen Block“ nicht weiter aufzufallen.

Wenn sich Polizeibeamte unter die DemonstratInnen gemischt haben, wirft das auch ein anderes Licht auf das Vorgehen der Polizei. Denn die Vermummung von Teilen der DemonstrantInnen – ein Straftatbestand – diente ihr als Begründung, die Demo gar nicht erst losgehen zu lassen. Obwohl nach Aufforderung von Einsatzführer Joachim Ferk viele DemonstrantInnen ihre Vermummung ablegten, ließ dieser die Demo nicht marschieren und verwies auf TeilnehmerInnen, die ihr Gesicht immer noch verdeckten.

Seit der Zeugenaussage von Florian G. steht nun im Raum, dass Polizeibeamte der Polizeiführung durch ihr Verhalten selbst die Begründung lieferten, gegen die Demonstration mit Wasserwerfern, Pfefferspray und Schlagstockeinsatz vorzugehen. Anschließend kam es zu heftigen Straßenschlachten zwischen G20-Gegnern und der Polizei – mit vielen Verletzten auf beiden Seiten.

Wenn sich Beamte unter die DemonstrantInnen gemischt haben, wirft das auch ein anderes Licht auf das Vorgehen der Polizeiführung

Am Donnerstag vor Gericht erschien der Beamte verkleidet: mit Perücke, Fensterglas-Brille und Vollbart. Er erklärte, sein Dresdner Einsatzführer habe ihn am Mittwoch noch einmal ausdrücklich auf seine Aussagebeschränkung hingewiesen. Doch das sei unnötig gewesen, denn ihm sei immer gegenwärtig, auf welche Fragen er antworten dürfe und auf welche nicht. Er sei „verärgert“ darüber, dass sein Kollege während seiner Vernehmung offensichtlich „über die Aussagegenehmigung hinausgegangen“ sei. Dass dessen Aussagen zur Vermummung aber inhaltlich falsch gewesen seien, sagte er nicht.

Die Hamburger Staatsanwaltschaft sieht keinen Grund für Ermittlungen gegen verdeckte Ermittler unter den DemonstrantInnen. „Wir haben das geprüft“, sagte Oberstaatsanwältin Nana Frombach. Im Einsatz befindliche Polizeibeamte fielen nicht unter das Versammlungsgesetz, weil sie keine Teilnehmer der Demonstration seien. Sie seien aus anderen Gründen anwesend.

Verteidiger Uwe Maeffert kritisierte dagegen, dass eine Beteiligung von Polizisten an Straftaten, die dann auch noch zur Auflösung einer Demonstration führen, „eine gravierende Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze“ darstelle. Maeffert bezeichnet das Mauern der Polizei als ein „Verfahrenshindernis“. Wenn die „Geheimhaltung des Staates“ Vorrang vor der Aufklärung von Straftaten habe, müsse man das offen sagen, so der Strafverteidiger.

Vermummung im G20-Sonderausschuss

Die mögliche Vermummung von Zivilpolizisten während der Demo wird den G20-Sonderausschuss beschäftigen. Für die innenpolitische Sprecherin der Linken, Christiane Schneider, kann der Einsatz aber deutlich mehr bedeuten: „Wenn sich die Polizisten vermummt haben, geht damit auch einher, dass sie andere TeilnehmerInnen zu Straftaten aufgerufen haben könnten“, sagt sie dem Hamburger Abendblatt.

Ähnlich sieht das der Kriminologe Thomas Feltes. „Es ist ein großes Problem, wenn verdeckte Ermittler als Agents Provocateurs selbst Straftaten begehen oder sie mit ermöglichen“, sagte er der Zeit.

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