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Zohran MamdaniDer Kapitalisten-Schreck

Bernd Pickert

Kommentar von

Bernd Pickert

Von Donald Trump bis zu konservativen Demokraten: Es gibt große Kräfte, die Zohran Mamdani in New York scheitern sehen wollen.

Wird eine Menge Geschick und Solidarität brauchen: der New Yorker Bürgermeister-kandidat Zohran Mamdani Foto: Olga Fedorova/ap

W enn nicht alle Umfragen völlig danebenliegen, dann wird an diesem Dienstag ein muslimischer 34-Jähriger, der sich selbst als demokratischer Sozialist identifiziert, zum Bürgermeister von New York City gewählt werden. Zohran Mamdani hat in einem exzellenten Wahlkampf das Thema gesetzt, das New Yor­ke­r*in­nen wirklich auf den Nägeln brennt: Das Leben in der Stadt wird zunehmend unbezahlbar, jedenfalls für Normalverdiener*innen. Mit einem Mietendeckel, kostenlosem ÖPNV und Kinderbetreuung will er das ändern, bezahlen sollen die Reformen mit leicht erhöhten Steuern all jene, deren Jahreseinkommen 1 Million Dollar übersteigt.

Das ist nicht linksradikal, sondern Sozialdemokratie für An­fän­ge­r*in­nen. Unglaublich schwierig zu machen, ist es in den USA dennoch. Denn es gibt eine breite Allianz unterschiedlicher politischer Kräfte, die Mamdani scheitern sehen wollen – von den Tech-Bros und den rechtsradikalsten MAGA-Kräften bis weit in den „moderaten“ Mainstream der Demokratischen Partei. Was sie trotz ideologischer Unterschiede eint: die Angst vor einer Politik, die die Interessen von Großunternehmern nicht für das unangreifbare Maß aller Dinge hält.

US-Präsident Donald Trump hat bereits angekündigt, der Stadt im Falle eines Wahlsiegs des „Kommunisten“ Mamdani nur noch die Bundesmittel zur Verfügung zu stellen, zu denen er gesetzlich verpflichtet ist. Es ist nicht schwer zu erahnen, dass Trump es auch hier mit den Gesetzen nicht so genau nehmen wird. Rund 6 Prozent des Haushalts von New York City stammt aus Bundesmitteln; das kann ein gewaltiges Erpressungspotenzial sein. Und auch der Einmarsch der Nationalgarde wird wohl nicht lange auf sich warten lassen.

Dass Trump kurz vor dem Wahltag noch zur Wahl von Mamdanis einstigem innerparteilichen Konkurrenten Andrew Cuomo aufruft, ist nur folgerichtig. Der ehemalige Gouverneur des Bundesstaats New York hatte seinerzeit wegen massiver Vorwürfe der sexuellen Belästigung zurücktreten müssen, war dann in den demokratischen Vorwahlen gegen Mamdani unterlegen und tritt nunmehr als unabhängiger Kandidat an. Mamdani beschrieb ihn im Wahlkampf zu Recht als jemanden, der seinen Wahlkampf von Milliardären finanzieren lässt, während seine eigene Kampagne auf der Grassroots-Unterstützung Zehntausender Freiwilliger fußte. Die Unterstützung Trumps, ätzte Mamdani jetzt, habe sich Cuomo redlich verdient.

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Angesichts der personellen Führungslosigkeit und politischen Schockstarre der Demokratischen Partei auf nationaler Ebene nach Trumps Wiederwahl kann Mamdanis Erfolg der Opposition eine Richtung vorgeben. Nur: Der progressive Flügel ist zwar in den letzten Jahren stärker gewachsen als jede andere Strömung und vielleicht der einzige Teil der Partei, der aktive Lebenszeichen von sich gibt. In der Minderheit ist er parteiintern trotzdem. Abigail Spanberger, die sich an diesem Dienstag darum bemüht, demokratische Gouverneurin von Virginia zu werden, sagte schon vor Jahren, sie wolle das schädliche Wort „Sozialismus“ im Zusammenhang mit ihrer Partei nie wieder hören.

In einer Zeit, wo die Partei händeringend nach Rezepten gegen Trump sucht, wäre ein Sieg Mamdanis für die konservativen Kräfte in der Partei schlimm – noch schlimmer aber wäre, wenn er auch noch erfolgreich regieren und so seine progressive Programmatik auch national als Alternative empfehlen würde. Mamdani wird eine Menge Geschick und Solidarität brauchen, gegen Trump und gegen die Beharrungskräfte in den eigenen Reihen.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. Bluesky: @berndpickert.bsky.social In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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11 Kommentare

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  • Die Möglichkeit besteht, dass Zohran Mamdani gewinnt. Ob er das umsetzen kann was er sich im Wahlkampf vornahm mag ich bezweifeln. Das kostet nämlich alles Geld. Und für einiges ist er bzw. Stadt NewYork gar nicht zuständig.

  • Money makes the World go round

  • es wäre an der zeit, sich etwas näher mit der sog. "grassroots"-unterstützung für mamdani zu befassen. tatsächlich ist es die gut durchstrukturierte unterstützung seiner partei, der democratic sozialists of america.



    s.a.: socialists.nyc/

    obama untestützt ihn ebenfalls - hochul seit neuestem, aber eher opportunistisch wg. mamdanis sichtbar großen erfolges. eine weitere wichtige stütze waren die anti-trump-massenveranstaltungungen usa-weit von bernie sanders und aoc (ebenfalls, wie mamdani, dsa-mitglied), die ihm bei einer new yorker großveranstaltung dieser tage den rücken gestärkt haben.

    programmatisch dürfte mamdanis plan auch wegweiser für die nächste präsidentschaftswahl werden - aoc steht dafür schon in den startblöcken und liegt derzeit mit 20 %-punkten vor kamala harris, die wohl ebenfalls antritt + bei 6% liegt + über den prozentpunkten von bernie sanders (12%), der aus altersgründen nicht mehr antritt.

  • Eine seiner Ideen sehe ich aber sehr kritisch, die mit den staatlichen Supermärkten, die ihre Waren zum Selbstkostenpreis verkaufen sollen und dabei keine Abgaben zahlen müssen. Diese würden die etablierten Geschäfte nullkommanix verdrängen. Hierbei handelt es sich aber oft nicht um große Ketten, sondern kleine familiengeführte Grocery Stores

  • Mandami beweist, was im durch verkrustete Parteien zerstörten 'westlichen' Demokratiemodell fehlt: Es sind Persönlichkeiten, die sich nach den WählerInnen richten, sie zusammenbringen und ihre Interessen vertreten. Oder ist in irgendeiner 'Partei' hierzulande jemand, der sich der Realität stellt ohne private Ambitionen ?

  • Dieser Wolf im Schafspelz wird nichts zum Besseren ändern.



    Einfach mal seinen Namen mit zeitlicher Eingrenzung (2019 - 2022) bei einer Suchmaschine eingeben.



    Das öffnet einem die Augen.

  • Was die Rechte in den so durch den Äther trompetet, danach wäre Mamdani mindestens anarchistischer Kommunist. Natürlich Kaschperlthater, in Deutschland wäre das nicht mal Linkspartei.



    Ein wirklich Linker wird auf absehbare Zeit nicht Präsident der USA, waren weder Biden noch Obama oder Bill Clinton.



    Trotzdem können die Demokraten einen Kandidaten präsentieren, der die USA nicht in die Hölle führen will, halbwegs bei Trost ist und nicht auf die 80 zugeht. Man ist ja bescheiden geworden in letzter Zeit.

  • Es ist gut, dass einer kandidiert, der das neoliberale System von der anderen Seite des politischen Spektrums her in den Grundlagen infrage stellt, wie der selbsternannte Arbeiter-Großkotz D T. - Wer bitte-bitte macht , wird lächerlich gemacht oder gleich zerstört . Dann lieber klare Kante . Dennwenn erst die US-KI Unternehmen ihre Kolonien in Europa errichtet haben werden , wird es eh auch hier zu spät sein.

  • Das ist nicht linksradikal, sondern Sozialdemokratie für An­fän­ge­r*in­nen.



    Eben.



    Revolution braucht es dennoch überall in der Welt.



    Mit mehr Interesse aneinander und Kooperationsbereitschaft geht die Umgestaltung - ohne Kulturkampf.

  • Der rechte Flügel der Demokraten in den USA hat die Partei genauso im Griff, wie der rechte Flügel der SPD oder der Grünen hierzulande, oder der rechte Flügel von Labour in GB.



    Sollte Mamdani gewinnen, wird sich sicher ein Weg finden, wie die Parteirechten der Demokraten ihn loswerden.

  • Ich drücke ihm alle Daumen und hoffe er wird gewählt und regiert erfolgreich. Auch wenn Trump und alle Reichen und selbst große Teile der Demokratischen Partei versuchen werden, das mit aller Gewalt zu verhindern.



    Denn die Linie, die er verfolgt "Mehr für die ärmeren 70%, dafür weniger für die reichsten 1-10%" ist der einzige Weg, der nicht in den Abgrund führt.



    Alles andere führt dazu, dass Menschen so unzufrieden werden und so viel Angst vor der Zukunft bekommen, dass sie radikale Parteien wählen (oder Personen wie Trump und Milei). Und das wird in Katastrophen führen, hoffentlich nicht so schlimm wie die von 1933, aber vielleicht eben doch.



    Auch in Deutschland gibt es keine andere Möglichkeit. Auf Dauer geht es nicht gut, wenn alleine die reichsten 500 Personen nur von 2020-2024 ihr Vermögen um 500 Mrd. € erhöhen können, aber die 70% ärmeren und der Staat am rumkrebsen sind. Wenn stattdessen 50 Mrd. von den 500 Mrd. für den Staat und die ärmeren 70% aufgewendet würden, hätten die reichsten 500 immer noch 300 Mrd. €, aber der Staat hätte mehr als durch das Schuldenpaket, denn das bringt nur 42 Mrd. pro Jahr (minus 10-20 Mrd. für die Zinsen).