Zukunft des Tempelhofer Felds in Berlin: Volksabstimmung rückt näher

Eine Bürgerinitiative hat 223.000 Unterschriften gegen Wohnungen auf dem ehemaligen Flughafen gesammelt. Ein Volksentscheid wird wahrscheinlich.

Blebt es wie es ist oder schrumpft es an seinen Rändern? Das Tempelhofer Feld in Berlin. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Bürgerinitiative „100 % Tempelhofer Feld“ hat ihr Ziel erreicht. Am Montagabend um 23:03 Uhr verkündete sie auf Twitter: „223.000 Unterschriften!“ Bis Mitternacht musste die Initiative 173.000 gültige Unterschriften bei der Landeswahlleiterin abliefern, damit es zu einer landesweiten Volksabstimmung über die Zukunft des ehemaligen Flughafens Tempelhof kommt.

Die Bürgerämter werden nun zwei Wochen lang prüfen, wie viele der Unterschriften von volljährigen und wahlberechtigten Deutschen mit Wohnsitz in Berlin kommen. Um einen gewissen Puffer zu haben, hatte die Initiative sich das Ziel gesetzt, 200.000 Unterschriften zu sammeln.

Vor gut fünf Jahren startete das letzte Flugzeug von dem legendären Flughafen. Nach der Öffnung des Geländes für die Öffentlichkeit eigneten die Berliner sich schnell ihren neuen Park an, der mit 350 Hektar so groß ist wie der Central Park in New York. Das Gelände liegt mitten im Berliner Stadtgebiet, wo sich die Stadtteile Kreuzberg, Neukölln und Tempelhof treffen.

Der Berliner Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) rechnet mit einem Erfolg für das Volksbegehren gegen eine Bebauung auf dem Tempelhofer Feld. „Man kann davon ausgehen, dass diese Stufe genommen wurde", sagte er am Dienstag nach Bekanntgabe der Zahl eingegangener Unterschriften.

Es bietet einen spektakulär weiten Blick und ist zu fast jeder Jahreszeit gut besucht von Joggern, Radfahrern, Drachenfliegern und Picknickern. Die Bürgerinitiative will mit ihrem Gesetzentwurf jede Bebauung des Feldes verhindern.

Der SPD-Landesparteivorsitzende Jan Stöß twitterte am Montagabend, die Partei freue sich auf eine „engagierte Diskussion: Können wir leistbare Wohnungen in der Stadt bauen oder nicht?“ Die Landesregierung, die von einer großen Koalition gestellt wird, will am Rand des Feldes den Bau von Wohnungen erlauben. Der Grund: Seit dem Jahr 2000 stieg die Einwohnerzahl Berlins um rund 170.000.

Bild: Infotext / P. Sobotta

Die steigende Nachfrage sorgt für anziehende Preise: Die Mieten, zu denen Wohnungen auf dem Markt angeboten wurden, stiegen allein im Jahr 2013 im Vergleich zum Vorjahr um 14 Prozent. Und das Problem wird sich voraussichtlich weiter verschärfen, denn laut Prognose der Landesregierung soll die Zahl der Einwohner in den nächsten 16 Jahren noch einmal um 250.000 steigen. Das Ziel der Koalition ist daher, der steigenden Nachfrage durch den Bau neuer Wohnungen zu begegnen und somit die Mietentwicklung zu dämpfen.

Die Initiatoren glauben den Ankündigungen der Landesregierung nicht. Sie befürchten, dass auf dem Feld zu teure Wohnungen gebaut werden. Und dass die Bebauung des Randes nur der erste Schritt ist. Später könnten auch mitten auf der Freifläche „ruhig gelegene elegante Öko-Stadtvillen“ entstehen, heißt es in einer Präsentation: „Prestige für PolitikerInnen, Rendite für InvestorInnen“.

Stattdessen wolle man „das Tempelhofer Feld in seiner Qualität als Ort der Erholung, als kulturhistorisches Denkmal und als Schutzraum für Pflanzen und Tiere erhalten“. Denn nicht zuletzt sei das Feld auch Lebensraum von geschützten Vögeln wie Grauammern, Brachpiepern und Waldohreulen.

„Dann meinen Glückwunsch!“, twitterte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Antje Kapek am Montagabend an die Adresse der Bürgerinitiative. Die Grünen befürworten die landesweite Abstimmung, weil sie Bürgerbeteiligung grundsätzlich richtig finden. Inhaltlich lehnen sie die Ziele der Bürgerinitiative allerdings ab.

Die Grünen wollen stattdessen eine „ergebnisoffene Diskussion über das große Ganze mit möglichst vielen Berliner_innen“, heißt es in einem Beschluss. Die Grünen halten dabei auch „eine sozial, ökologisch und energetisch vorbildliche Wohnbebauung durch kommunale oder genossenschaftliche Bauträger entlang des Tempelhofer Damms für möglich“. Bedarf gebe es außerdem „für eine Kita, eine Grundschule und eine Turnhalle für den angrenzenden Neuköllner Kiez“.

Der Piraten-Abgeordnete Philipp Megalski forderte am Montagabend auf Twitter ein „Planungsmoratorium“: Die Landesregierung solle also nicht weiter Geld für ihre Bebauungspläne ausgeben, bis die Berliner über den Volksentscheid abgestimmt haben. Im Oktober hatte Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) den Bau eines Sees auf dem Feld angekündigt. Derzeit ruht das Vorhaben wegen einer Klage des Bundes für Umwelt und Naturschutz.

Wenn genügend gültige Unterschriften zusammenkommen, muss spätestens bis zum 8. Juni die landesweite Volksabstimmung stattfinden. Über den genauen Termin entscheidet die Landesregierung. Die Bürgerinitiative wünscht sich eine Abstimmung am 25. Mai, gemeinsam mit der Europawahl. Dann wäre es einfacher, das Quorum zu knacken: Damit der Gesetzesentwurf in Kraft tritt, müssen ihm 25 Prozent der Wahlberechtigten zustimmen.

Im Herbst hatte die Landesregierung den Wahltermin bei einer Volksabstimmung über die Rekommunalisierung der Energieversorgung nicht mit der Bundestagswahl zusammengelegt. Stattdessen wurden die Berliner sechs Wochen später noch einmal zur Wahlurne gerufen. Das Quorum wurde damals mit 24,1 Prozent knapp verfehlt. Bisher hat in der Hauptstadt erst ein Volksentscheid die Hürde geknackt: Im Februar 2011 stimmten die Berliner für die Veröffentlichung der Verträge, mit denen die Wasserbetriebe privatisiert wurden.

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