Zum Stand der Pressefreiheit: Brief aus der Türkei

Die aktuelle Jagd auf die Gülen-Bewegung verschafft der linken Zeitung „Birgün“ eine kurze Verschnaufpause.

Ein Demonstrant vor dem Gerichtsgebäude in Istanbul während dem Prozess gegen Cumhuriyet-Redakteur Can Dundar Bild: dpa

Liebe LeserInnen,

angesichts der katastrophalen Meldungen aus der Türkei, insbesondere was die Medien und Verhaftungen von Journalisten angeht, haben Sie sich vielleicht schon gefragt, wie es unserer Partnerzeitung Birgün geht, ob sie überhaupt noch erscheinen kann und wie die Situation der Mitarbeiter der Zeitung ist.

Bei all den schlechten Nachrichten aus der Türkei gibt es von Birgün erst einmal Positives zu berichten. Die Zeitung erscheint jeden Tag, nimmt nach wie vor kein Blatt vor den Mund und die Mitarbeiter sind angesichts der schwierigen Situation seit dem Putschversuch motivierter denn je, sich für eine aufklärerische Berichterstattung zu engagieren.

ist Türkei- Korrespondent der taz. Weitere Artikel zum Thema auf taz.de

„Bislang“, erzählt einer der leitenden Redakteure, „ist während des Ausnahmezustandes auch noch kein Mitarbeiter festgenommen worden und es gibt auch keinerlei andere Repressionsmaßnahmen gegen die Zeitung.“

Was auf den ersten Blick überraschen mag, hat einen einfachen Hintergrund. Im Moment werden alle Medien, Zeitungen, Rundfunk- und Fernsehsender, die sich in irgendeiner Weise im Umfeld der Gülen-Bewegung befinden oder befunden haben, verfolgt. Die Medienhäuser werden geschlossen und Gülen-nahe Journalisten verhaftet. Zuletzt wurden Haftbefehle gegen 47 ehemalige Mitarbeiter von Zaman ausgestellt, dem Flaggschiff der Gülen-Medien, das im März dieses Jahres bereits unter staatliche Kuratel gestellt worden war.

Birgün hatte und hat aber als linke Zeitung nie etwas mit der Gülen-Bewegung zu tun gehabt und ist von den Repressionsmaßnahmen im Moment – wie übrigens die linksliberale Cumhuriyet und die kurdische Özgür Gündem auch – nicht betroffen. „Die Islamisten bekriegen sich untereinander“, meinte ein Birgün-Journalist, „da werden wir ausnahmsweise einmal in Ruhe gelassen“. Das muss allerdings nicht so bleiben. „Das kann jeden Tag auch umkippen“, sagte derselbe Journalist, „die Situation ist eben extrem angespannt.“

Noch aber arbeitet Birgün, und die wirtschaftliche Situation des Blattes hat sich auch mithilfe der Solidarität sogar etwas gebessert. Wir sollten deshalb auch weiterhin alles tun, was wir von Deutschland aus machen können, damit diese Stimme der Freiheit und Demokratie in der Türkei nicht verstummt.

Viele Grüße, Jürgen Gottschlich