Zum Tod Hebe de Bonafinis: Lichtgestalt mit Schattenseiten

Die argentinische Aktivistin Hebe de Bonafini ist tot. Als ihre Söhne während der Militärdiktatur verschwanden, gründete sie die „Mütter der Plaza de Mayo“.

Kinder von Diktaturopfern bedanken sie mit einem Transparent bei der Verstorbenen Hebe de Bonafini

Hebe de Bonafini auf einer Demonstration zum 41. Jahrestages des Putsches im Jahr 2017 Foto: dpa

BUENOS AIRES taz | Hebe de Bonafini ist tot. Die Mitgründerin und Präsidentin der argentinischen Menschenrechtsorganisation Mütter der Plaza de Mayo starb am Sonntag im Alter von 93 Jahren in einem Krankenhaus in La Plata in der Provinz Buenos Aires. Das teilte ihre Tochter Alejandra mit. Bonafini hatte 1977 die Mütter der Plaza de Mayo mitgegründet. Zwei Jahre später wurde sie Präsidentin und leitete bis zu ihrem Tod den radikaleren Teil der Menschenrechtsorganisation, die sich 1986 gespalten hatte.

Bonafinis Söhne Jorge und Raúl wurden während der Militärdiktatur (1976–1983) verschleppt und sind seitdem verschwunden. „An dem Tag, an dem sie verschwanden, habe ich vergessen, wer ich war, ich habe nie wieder an mich gedacht“, sagte sie noch Anfang November anlässlich der Fotoausstellung „Hebe de Bonafini, eine Mutter in der Revolte“.

1928 in einem Arbeiterviertel der Kleinstadt Ensenada vor den Toren von La Plata geboren, hatte sie jung Humberto Alfredo Bonafini geheiratet, mit dem sie zwei Söhne und eine Tochter hatte. Im Februar 1977 wurde Jorge im Alter von 26 Jahren entführt. „Bevor mein Sohn entführt wurde, war ich eine ganz normale Hausfrau. Ich wusste viele Dinge nicht und sie haben mich auch nicht interessiert“, sagte Bonafini einmal über sich selbst. Einige Monate später wurde auch der damals 24-jährige Raúl verschleppt.

Während sie auf der Suche nach ihren Söhnen Krankenhäuser, Gerichtsgebäude, Polizeireviere und Leichenhallen durchkämmte, traf sie auf andere Mütter, deren Kinder ebenfalls verschwunden waren.

„Ich war eine ganz normale Hausfrau“

Angesichts des Schweigens der Behörden begannen 14 Mütter im April 1977 auf der Plaza de Mayo vor dem Präsidentenpalast im Zentrum der Hauptstadt Buenos Aires Aufklärung über das Schicksal ihrer Kinder einzufordern.

Weiße Stoffwindeln, getragen wie Kopftücher, wurden bald zum Erkennungszeichen der Gruppe. „Anfangs haben wir uns nur zusammengefunden, bis eines Tages die Polizei kam, uns schlug und uns sagte: ‚Lauft.‘ Wir haben uns untergehakt und angefangen, zu zweit zu gehen“, erzählte sie.

Seitdem drehen die Madres der Plaza de Mayo jeden Donnerstag um 15 Uhr ihre Runden auf diesen Platz. „Die Ärzte wissen, dass ich für meine Gesundheit die Plaza brauche“, sagte sie bei ihrem letzten Rundgang am 10. November.

„Liebste Hebe, Mutter der Plaza de Mayo, weltweites Symbol für den Kampf um die Menschenrechte, Stolz Argentiniens. Gott hat Sie am Tag der nationalen Souveränität gerufen … das kann kein Zufall sein. Simplemente gracias y hasta siempre“, twitterte Vizepräsidentin Cristina Kirchner.

Wandel zur bedingungslosen Anhängerin der Kirchners

Während der Präsidentschaften von Néstor und Cristina Kirchner (2003–2015) wurden die Mütter erstmals im Präsidentenpalast empfangen und mit der Aufhebung der Amnestiegesetze 2005 erfuhren die Prozesse wegen Menschenrechtsverbrechen während der Diktatur einen wichtigen Auftrieb. Nach Angaben der Mütter und anderer Menschenrechtsorganisationen verschwanden 30.000 Menschen oder wurden ermordet.

Hatte Bonafini sämtliche Amtsvorgänger aufs Schärfste kritisiert und ihnen alles Böse gewünscht, wandelte sie sich nun zu einer bedingungslosen Anhängerin der Kirchners. Seither sorgten ihre stets unnachgiebige Haltung und schonungslosen Attacken auf ihrer Meinung nach politischen Geg­ne­r*in­nen oftmals für Irritationen.

Etwa als sie einige Jahre nach den Anschlägen vom 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York sagte: „Ich habe Glück empfunden. Ich werde keine Heuchlerin sein. Es hat mich überhaupt nicht geschmerzt.“

Oder als sie bei ihrem letzten Rundgang auf der Plaza de Mayo zur Verteidigung von Cristina Kirchner in einem Korruptionsprozess zum „Volksaufstand gegen die Richter“ aufrief. Dass auch ein Verfahren wegen Veruntreuung von mehreren Millionen Euro ansteht, in dem eine von den Müttern der Plaza de Mayo gegründete Stiftung für sozialen Wohnungsbau eine zentrale Rolle spielt, ließ sie unerwähnt.

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