Zweifel an neuem Vertrag mit Hannover 96: Stadion zum Spottpreis

Der Bund der Steuerzahler glaubt, dass die Stadt Hannover dem Fußballverein die Heinz-von-Heiden-Arena zu einem unzulässig niedrigen Preis überlässt.

Stadion von Hannover 96

Bis 2027 noch nach einer Massivhäuser-Firma benannt: Das Stadion von Hannover 96 Foto: Swen Pförtner/dpa

HANNOVER taz | Heinz-von-Heiden-Arena heißt das 96-Stadion mitten in Hannover am Maschsee gerade. Wie viel das Massivhausunternehmen dafür auf den Tisch gelegt hat, verrät natürlich keiner. Das ist nicht die einzige Summe, die hier im Dunkeln bleibt. Aktuell gibt es in Hannover große Aufregung um eine Frage: Überlässt die Stadt dem Fußballverein das Stadion zum Spottpreis? Das befürchtet unter anderem der Bund der Steuerzahler (BdSt).

Der Hintergrund: Die Landeshauptstadt hat gerade einen neuen Vertrag mit dem Verein ausgehandelt, genauer gesagt mit der Stadionbetriebsgesellschaft „Hannover 96 Arena GmbH“. Das Stadion bleibt zwar im Besitz der Stadt Hannover, soll aber über einen Erbbaupachtvertrag von 2030 bis 2096 an die Firma gehen, für den schlanken Preis von 27.500 Euro im Jahr oder 2.250 Euro pro Monat – für immerhin 10,5 Hektar (circa 105.000 Quadratmeter).

Auf diesen Betrag kommt die Stadt, weil sie einen Erbbauzins von 0,26 Euro pro Quadratmeter zugrunde legt – das ist der Wert, den sie im Rahmen der Sportförderung auch von anderen Vereinen nimmt. Nur dass es sich dabei um Amateurvereine aus dem Breitensport handelt und nicht um einen Profi-Verein, der in der vergangenen Spielzeit in der zweiten Bundesliga einen Umsatz von rund 40 Millionen gemacht hat.

Der Bund der Steuerzahler argumentiert nun, dass man bei einem privatwirtschaftlichen Unternehmen wohl kaum die Grundsätze der Sportförderung heranziehen kann. Gewerbliche Mieter zahlen sonst ja auch mehr, weil sich die Erbpacht üblicherweise am Bodenrichtwert orientiert. Damit allein käme man schon auf einen sechsstelligen Betrag im Jahr und nicht bloß auf 27.500 Euro.

Fans fürchten, dass am Ende nur die Investoren profitieren

96-Fans, die eine Online-Petition gegen den neuen Pachtvertrag aufgesetzt haben, befürchten außerdem, dass auch das Argument Sportförderung hier nicht ganz wasserdicht ist. Immerhin ist aufgrund der verschachtelten Firmenkonstruktion bei Hannover 96 gar nicht garantiert, dass die Profifußballer auf lange Sicht profitieren.

Die Stadionbetriebsgesellschaft führt ihre Gewinne nämlich ausschließlich an die Investorengesellschaft „Hannover 96 Sales & Service GmbH“ ab, in der allein Hörgeräte-Unternehmer Martin Kind, die Drogerie-Multi-Familie Rossmann und das Immobiliengroßunternehmerpaar Baum das Sagen haben. Und vor allem Großinvestor Kind ist aufgrund seines autokratischen Führungsstils für traditionsbewusste Fans ein rotes Tuch.

Der eigentliche Verein, also die in eine Kapitalgesellschaft ausgegliederte Profiabteilung, zahlt für die Stadionnutzung 5,1 Millionen im Jahr. Auch von den Einkünften aus den weiteren Vermietungen des Stadions für Konzerte oder Großveranstaltungen sowie aus den Namensrechten und Ähnlichem sieht der Verein erst einmal nichts.

Doch was passiert, unken die Fans, wenn die – nicht mehr ganz jungen – Großinvestoren in diesen kommenden 66 Jahren Laufzeit verkaufen oder versterben und ihre Nachfolger als Erstes anfangen, an der Stadionmiete herumzuschrauben? Bei groben Verstößen gegen den Vertrag oder einer Gefährdung des Liga-Betriebes kann der Vertrag frühzeitig gekündigt werden, sagt die Stadt.

Verstösst der Vertrag gegen EU-Recht?

Der Bund der Steuerzahler glaubt trotzdem, dass die Stadt sich erstens zu billig abspeisen lässt und sich zweitens erheblichen rechtlichen Risiken aussetzt. Er hat extra ein Gutachten in Auftrag gegeben, um zu klären, ob der Vertrag nicht auch gegen EU-Beihilferecht verstößt.

Die Stadt glaubt, das sei nicht der Fall, weil hier ein Sachverhalt von lediglich regionaler beziehungsweise lokaler Bedeutung verhandelt werde, hat sie in einer Stellungnahme gegenüber dem BdSt verlauten lassen.

Das sieht der beauftragte Jurist Joachim Erdmann anders: Hannover 96 bewege sich immerhin auf einem internationalen Markt, was zum Beispiel Spielertransfers, aber auch Zuschauerverkehr und Sportwetten angehe. Auch die Teilnahme an europäischen Klubwettbewerben könnte als Argument dafür angesehen werden, dass es hier eine Relevanz für den EU-Binnenmarkt gäbe.

Stadt will vor allem Kosten und Risiken loswerden

Die Stadt argumentiert aber, dass sie mit dieser Vertragskonstruktion eben nicht nur den Prestige- und Tourismus-trächtigen Verein fördert, sondern sich auch erhebliche Kosten und Risiken erspart. Im Gegensatz zu anderen Städten, die sich an ihren Stadiongesellschaften beteiligen – und damit auch das wirtschaftliche Risiko tragen.

Hier soll Hannover 96 nicht nur für den Erhalt des Baus aufkommen, wie das bei Erbpachtverträgen üblich ist, sondern auch noch erhebliche Investitionen vornehmen. Unter anderem, um das Stadion ab 2035 klimaneutral zu betreiben. Auch hier kritisiert der BdSt, dass es offenbar keinen Investitionsplan gibt, aus dem sich ablesen ließe, zu welchen Investitionen sich 96 denn nun im Gegenzug für die niedrige Erbbaupacht verpflichtet habe.

Außerdem hat die Stadt seit 2019, als Hannover 96 in die Zweite Liga abstieg, einen jährlichen Betriebskostenzuschuss von 850.000 Euro gewährt. Auch den möchte man künftig gern einsparen. Zumindest die meisten Ratspolitiker hat Wirtschaftsdezernentin Anja Ritschel damit überzeugt. Nach den entsprechenden Ausschusssitzungen regte sich kaum noch Protest. Über viele der Details des Vertrages müssen Politik und Verwaltung allerdings Stillschweigen bewahren – die Abstimmung erfolgt in nicht öffentlicher Sitzung Anfang Juli.

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