Zweifelhaftes Klimaschutzinstrument: Sauberes Wachstum für dreckige Luft

Die Clean Development Mechanisms brachten viel Geld für Klimaschutz. Aber: Der Ausstoß von CO2 ist dadurch nicht gesunken – im Gegenteil.

Falsche Richtung: CDMs haben die weltweiten CO2-Emission kaum reduziert Bild: ap

BERLIN taz | Auf der offiziellen Homepage preist ein Jubiläumsfilm die Erfolge: Vor einem aus dem Weltall aufgenommenen Bild der Erde präsentiert das Klimasekretariat der UN beeindruckende Zahlen: In 4.600 Projekten zum Klimaschutz wurden seit 2004 die „Mechanismen für umweltschonende Entwicklung“ (CDMs) eingesetzt, 120 Gigawatt erneuerbare Energien erzeugt, 215 Milliarden Dollar investiert.

Tausenden von Dorfgemeinschaften wurde zu einem besseren Leben verholfen. Aber ganz am Anfang der Präsentation steht eine Halbwahrheit: Die CDMs, so heißt es, hätten die „Emission von einer Milliarde Tonnen CO2 vermieden“.

Das stimmt nur für die Entwicklungsländer. Global gesehen ist das allerdings für dieses „bemerkenswerte, wahrhaft globale System der Emissionsreduktionen“, so die Eigenwerbung, schlicht nicht der Fall. Denn die Einsparung von Emissionen in den Entwicklungsländern gibt den Industrieländern das Recht, in gleichem Umfang die Atmosphäre wieder zu verschmutzen. Das sehen die CDMs vor, die einer der Grundpfeiler des Kioto-Protokolls sind: dass Emissionen im Süden möglichst billig vermindert werden und im Norden dafür erst einmal weitergehen.

CDM: Clean Development Mechanism (Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung): Der im Kioto-Protokoll festgelegte Mechanismus ermöglicht es Industrie- und Entwicklungsländern, gemeinsam Klimaschutzprojekte in den Entwicklungsländern zu betreiben. Industrieländer finanzieren die Projekte und können im Gegenzug die eingesparten Emissionen zusätzlich emittieren oder sie sich gutschreiben lassen. Die CDMs sollen Klimaschutz möglichst kostengünstig ermöglichen, werden aber wegen Missmanagement und Korruption kritisiert; auch gehen die Investitionen vor allem in erneuerbare Energien und kaum in Energieeffizienz, sie bevorzugen Asien und vernachlässigen Afrika.

Doha: In der Hauptstadt von Katar verhandeln seit Montag 194 Staaten unter anderem über die Ausgestaltung der zweiten Verpflichtungsperiode des Kioto-Protokolls ab 2013 sowie den Fahrplan für einen globalen Klimaschutzvertrag. Die Konferenz dauert bis zum 7. Dezember.

Emissionshandel: Das Kioto-Protokoll weist allen Industrieländern für die erste Verpflichtungsperiode eine zulässige Emissionsmenge an Treibhausgasen zu. Laut Artikel 17 des Protokolls ist es erlaubt, dass diese Staaten ihre Emissionsmenge selbst aufbrauchen oder Teile davon mit Entwicklungsländern handeln.

Kioto-Protokoll: Die 1997 im japanischen Kioto vereinbarte weltweite Klimaschutzvereinbarung trat 2005 in Kraft. Danach müssen 40 Industriestaaten ihre Klimagasemissionen bis 2012 gegenüer 1990 um durchschnittlich 5 Prozent verringern. (afp, dapd)

Ehemalige Wunderwaffe

Die ökonomische Bilanz des CDM kann sich sehen lassen: Laut UN-Zahlen haben die Industriestaaten seit 2004 durch CDM 3,6 Milliarden Dollar gespart, davon 2,3 Milliarden die Unternehmen. Ob das Klima irgendetwas von dem Deal hatte, ist allerdings völlig unklar. Im Gegenteil: „CDMs könnten insgesamt zu einer Zunahme der Emissionen geführt haben“, befürchtet ein Untersuchungsbericht der UN, der im September vorgelegt wurde.

Die Studie mit dem Titel „Ein Aufruf zum Handeln“ enthält Empfehlungen eines Beratungsgremiums zur Reform der CDMs. Denn die Bilanz für die ehemalige marktkonforme Wunderwaffe im Kampf gegen den Klimawandel ist nach 15 Jahren sehr durchwachsen: Während die offiziellen Projektpapiere in fast allen der Maßnahmen Vorteile für die wirtschaftliche, soziale oder ökologische Bilanz sehen, zweifeln viele Kritiker am Erfolg.

Der Bericht selbst führt aus, dass die CDMs kaum einen messbaren Beitrag zum Klimaschutz leisteten, den Entwicklungsländern nur wenig Zugang zu moderner Technologie verschafften, wenig Unterstützung für nachhaltige Entwicklung boten und sogar zu mehr Abhängigkeit der armen Länder bei der Energieversorgung führten.

Und jetzt steht auch noch das ganze CDM-System vor dem Aus: „Die globalen Kohlenstoffmärkte brechen gerade zusammen. Und das trifft besonders für den CDM zu“, heißt es in dem UN-Bericht. Das würden zwar „viele nicht bedauern“, aber das Ende des weltweiten Marktes für CO2 könne auch die „internationale Zusammenarbeit beim Klimaschutz zurückwerfen, mit möglicherweise vernichtenden Konsequenzen für alle“.

Mit wenig viel erreichen

Auch Frank Wolke, beim Umweltbundesamt (UBA) zuständig für die CDMs, findet sie „sehr erfolgreich, weil sie sehr viel privates Kapital bewegt haben“. Zudem sei bei den Projekten die „Luft vor Ort deutlich besser“ und es entstehe ein Bewusstsein, wie man mit geringen Mitteln vergleichsweise viel für den Klimaschutz tun könne.

„Aber die CDM sind derzeit noch ein Instrument, das als Klima-Nullsummenspiel angelegt ist“, sagt Wolke. „Man sollte sie nicht nach dem eigenen Erfolg für den Klimaschutz bewerten. Dieser Erfolg muss von den Verpflichtungen zu weniger Emissionen kommen.“

Das sieht auch Anja Kollmuss von der NGO Carbon Market Watch so: „Die Ambitionen im Klimaschutz müssen größer werden, wenn wir das System retten wollen.“ Vor allem sollten Projekte aus dem CDM fallen, die sich nicht an die Regeln halten. „Das würde auch dazu beitragen, den Preis für die CDM-Zertifikate wieder zu steigern.“

In Doha steht auch die Rettung des CDM auf dem Programm. Dafür braucht es eine zweite Runde im Klimaschutz unter dem Kioto-Protokoll und strengere Grenzwerte. Denn trotz aller Kinderkrankheiten habe sich das Regelwerk „in den letzten Jahren sehr verbessert“ und biete nun Chancen, weil es private Firmen anspreche, urteilt die UN-Kommission.

Mehr Verpflichtungen zum Klimaschutz könnten den globalen Markt für CO2-Zertifikate wieder beleben, der zurzeit am Boden liegt. Dann müsste der CDM reformiert werden, um schneller reagieren, leichter an Finanzmittel kommen und neue Ideen wie den Waldschutz aufzunehmen zu können. Schließlich müsste die CDM-Bürokratie radikal entschlackt werden.

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