Überflüssige Kontrollen: Gewalt auch ohne Glas

Das Flaschenverbot am Wochenende im Gefahrengebiet Reeperbahn zeigt wenig Wirkung. Die Zahl der Körperverletzungen mit Flaschen nahm kaum ab.

Prügeln sich ohne Flaschen weniger schlimm: Kiezbesucher. Bild: dpa

Das Glasflaschenverbot auf dem Hamburger Kiez zur Vermeidung alkoholbedingter gefährlicher Körperverletzungen an Wochenenden zeigt im Vergleich zum Aufwand nur relativ wenig Wirkung. Das geht aus einem internen und vertraulichen Bericht der Innenbehörde hervor, der der taz vorliegt.

In den Verbotszeiträumen habe ein „relativer Rückgang“ bei der „unter Verwendung von Glasgetränkebehältnissen begangenen Straftaten“ von durchschnittlich 34 Taten in den drei Halbjahren vor Inkrafttreten auf durchschnittlich 27 Taten in den vier Halbjahren nach Inkrafttreten des Glasflaschenverbots erreicht werden können, so die Innenbehörde.

Seit Juni 2009 gilt auf dem St. Pauli-Kiez das gesetzliche Flaschenverbot, nach dem die Gastronomen 2008 ein selbst auferlegtes Glasflaschenverkaufsverbot meist nicht eingehalten haben. Der schwarz-grüne Senat wollte damit einem Trend entgegenwirken, nach dem es im Jahr 2008 zu 128 Körperverletzungen gekommen war, bei denen eine Flasche als Tatwerkzeug eine Rolle spielte.

Bis zu 200.000 Menschen besuchen bei schönem Wetter an Wochenenden die Amüsiermeilen auf dem St. Pauli-Kiez. Innenbehörde und Polizei versuchen seit Jahren erfolglos, die Kriminalitätsrate durch Repression zu senken.

Zum Gefahrengebiet "Allgemeine Kriminalität" mit verdachtsunabhängigen Kontrollen nach dem neuen Polizeigesetz erklärte Innensenator Udo Nagel 2005 den St. Pauli-Kiez.

Videoüberwachung zur Gefahrenabwehr wurde 2006 installiert, die 12 Kameras sind inzwischen wieder demontiert worden.

Zur Waffenverbotszone wurde der Kiez 2007 von Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) nach einer Bundesratsinitiative erklärt.

Das Flaschenverbot folgte 2009 durch den schwarz-grünen Senat.

Besonderes mediales Aufsehen hatte damals der Fall des Sohnes vom Leiter des Bezirksamtes Nord, Matthias Frommann (SPD), erregt, der Ende 2007 bei einem Streit an der Holstenstraße von Jugendlichen mit einem abgebrochenen Flaschenhals am Hals schwer verletzt worden war.

Seit Inkrafttreten des Gesetzes ist das Mitführen von Getränkeflaschen freitags, samstags und sonntags und an Abenden vor Feiertagen in der Zeit von 22 Uhr bis sechs Uhr morgens untersagt und kann mit Bußgeldern von bis zu 200 Euro belegt werden.

Zwischen 2.160 und 2.800 Polizisten und drei Mitarbeiter des Bezirklichen Ordnungsdienstes setzen in einem Halbjahr an diesen Abenden das Waffen- und Flaschenverbot durch Kontrollen im „Gefahrengebiet“ St. Pauli Kiez „präventiv“ und „repressiv“ durch. Dabei verzeichnet die Polizei, dass die Anzahl der Verstöße rückläufig sei und schließt daraus, dass „das Glasflaschenverbot offensichtlich akzeptiert“ werde.

So registrierte die Polizei 2009 nach Inkrafttreten des Gesetzes noch 1.234 Verstöße gegen das „Mitführverbot“, im ersten Halbjahr 2011 waren es nur noch 400 Fälle. Das liegt wohl auch daran, dass inzwischen 27 Container für leere Glasflaschen aufgestellt worden sind. „Die Entsorgungskosten in Höhe von derzeit 20.000 Euro pro Jahr werden über die Polizei Hamburg abgerechnet“, so die Innenbehörde.

Doch der gravierende Durchbruch zur Vermeidung von Körperverletzungen ist nicht gelungen und seit 2008 von 128 Fällen auf 2010 mit 116 Straftaten nicht signifikant gesunken. Allerdings: Die „Schwere der Verletzungen“ habe „tendenziell abgenommen“, da Flaschen seltener bei schweren Körperverletzungen eine Rolle spielten.

„Insbesondere vor diesem Hintergrund stellt das Glasflaschenverbot weiterhin eine geeignete Grundlage dar, Gefahren für Leib und Leben, die aus der Verwendung von Glasgetränkebehältnissen als Tatmittel von Gewaltdelikten resultieren können, abzuwenden“, so das Fazit der Innenbehörde.

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