#besetzen-Kampagne geht weiter: Linke werben für „Züricher Linie“

Bei einer Diskussionsveranstaltung kündigen AktivistInnen einen „Herbst der Besetzungen“ an. Linke-Politikerin will im Senat für mehr Toleranz werben.

Auch die 2017 kurzzeitig besetzte ehemalige Teppichfabrik in Berlin-Friedrichshain wurde geräumt Foto: dpa

Es soll ein bunter Herbst werden. Davon zeugen die ausgeteilten Aufkleber auf den Sitzplätzen im ehemals besetzten Kulturzentrum Acud. Darauf abgebildet ist eine bewachsene Häuserfassade in Rot, Gelb und Grün samt der Aufschrift „Herbst der Besetzungen. Bald auch in deinem Kiez“. Angekündigt wird damit die Fortführung der #besetzen-Kampagne, in deren Rahmen sich StadtaktivistInnen am Pfingstsonntag ein Haus in der Neuköllner Bornsdorfer Straße und ein Ladenlokal in der Reichenberger Straße aneigneten.

Zwei der BesetzerInnen stellen sich am Donnerstagabend einer Diskussionsveranstaltung der Hellen Panke mit der Frage „Wie kommen wir zur Entkriminalisierung von Hausbesetzungen?“ Sie nennen sich Kim und Charly und haben es sich, so sagen sie in ihrem Eingangsstatement, reiflich überlegt, ob sie sich auf das Podium mit der Berliner Linken-Chefin Katina Schubert und dem Züricher Stadtforscher Philippe Koch setzen sollen. Ihr Vertrauen in den parlamentarischen Politikbetrieb ist gering, was wohl auch damit zu tun hat, dass gegen 56 der BesetzerInnen aus Neukölln Verfahren wegen Hausfriedensbruch laufen.

„Das Eigentumsrecht wird in Berlin mit dem Schlagstock durchgesetzt“, sagt Kim über die Räumung. Dabei hatte ihnen der Geschäftsführer der Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land, sekundiert von Wohnungsstaatssekretär Sebastian Scheel (Linke), noch kurz vor dem Polizeieinsatz die Übernahme der Wohnungen zu vergünstigten Mieten in Aussicht gestellt. Doch Kim sagt auch: „Wir wollen nicht 3 Euro weniger Miete, ­sondern das Eigentumsrecht grundsätzlich infrage stellen.“

Andrej Holm, Moderator des Abends und Ex-Staatssekretär, sagt, eine Räumung wäre für ihn die „rote Linie“ gewesen. Er wäre demnach zurückgetreten, als sich Innensenator Andreas Geisel (SPD) an diesem Tag durchsetzte mit seinem Beharren auf der Berliner Linie, also der Räumung innerhalb von 24 Stunden.

„Der Innensenator ist sehr fokussiert auf repressive Lösungen“, sagt Schubert dazu. Sie erinnert daran, dass es zur Berliner Linie ursprünglich gehörte, auch mit Besetzern zu verhandeln. Darüber sei in einem Koalitionsausschuss kurz nach den Pfingstbesetzungen gesprochen worden. Bei kommenden Aktionen werde die SPD aber wohl dennoch mit „Repressionsforderungen“ reagieren, so Schubert. „Wir werden das wieder zurückweisen. Aber ich bin da nicht optimistisch.“

Dabei könnte eine Lösung einfach sein. In Zürich wird nur dann geräumt, wenn Eigentümer der besetzten Immobilien nachweisen, dass ihr Haus unmittelbar nach der Räumung wieder vermietet wird, eine Abrissgenehmigung vorliegt oder die Sicherheit nicht gewährleistet ist. Bei 80 bis 85 Prozent aller Besetzungen können sie das nicht, so Stadtforscher Koch. Schubert will dafür werben, die „Züricher Linie zur Berliner Linie zu machen.“ Die Linke muss sich damit beeilen. Der Herbst beginnt.

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