die wahrheit: Abnormer Schnauz

Molekulargenetik. Thilo Sarrazins Genom endlich entschlüsselt.

Schon jetzt hat die Erforschung des Genoms von Thilo Sarrazin rund zehn Milliarden Euro gekostet. Bild: reuters

Unverhofft kommt oft: Das Umweltbundesamt, das Max-Planck-Institut und die Gesellschaft für bedrohte Völker haben das Genom des umstrittenen Publizisten Thilo Sarrazin entschlüsselt. Nach Angaben aus Insiderkreisen sollen die Daten bereits morgen auf einer allgemein zugänglichen Internetseite veröffentlicht werden. Die Entschlüsselung ist das Resultat eines Forschungsprojekts mit dem Fernziel, nützlicheren und intelligenteren Menschen dieses Typs zum Dasein zu verhelfen.

Das Ergebnis soll allen Leseratten zugutekommen und den Verlagen eine nachhaltigere Sachbuchproduktion bescheren. Für mehr als eine Million Verbraucher, die größtenteils dem Kleinbürgertum angehören, bildet die flüchtige Lektüre des Bestsellers von Thilo Sarrazin ("Deutschland schafft sich ab") eine wichtige Station auf dem Weg zum nächstgelegenen Wirtshaus. Bedauerlicherweise gehen jedoch bis zu 70 Prozent der Lesefrüchte bereits nach der ersten Runde verloren, auf Nimmerwiedersehen, oder sie werden durch Gegenargumente schlagfertiger Zechgenossen irreversibel geschädigt.

Dank der öffentlichen Verfügbarkeit der Forschungsergebnisse können Wissenschaftler in Zukunft durch präzise Kreuzung neue Sarrazins züchten, die noch ertragreicher und gegen Einwände und Intrigen besser gewappnet sind als das Original. Die Forschungspartner betonen allerdings, dass es nicht ihre Absicht sei, den geschassten Großbankier Thilo Sarrazin persönlich gentechnisch zu verändern. "Im Gegenteil", sagt Uwe-Shapiro Han-Yan, der Wolfsburger Global Director der Gesellschaft für bedrohte Völker.

"Wir wollen Thilo Sarrazin, so wie er ist, erhalten sehen! Am liebsten würden wir ihn schockgefrieren. Dann könnte er in fünftausend Jahren als zweiter Ötzi in die Geschichte eingehen. Leider haben uns Sarrazins Anwälte da einen Strich durch die Rechnung gemacht. Doch wir halten es nach wie vor für geboten, zumindest das Gehirn, die Brille und die Schnodderbremse Sarrazins vor dem Verfall zu retten, damit sich die Nachwelt anhand dieser Materialien einen objektiven Eindruck von unserer Bildungsmisere verschaffen kann …"

Interessanterweise stechen aus Sarrazins Genom neben den Spuren diverser Ahnen aus dem europäischen Raubrittertum auch die unangenehmsten Erbmerkmale des arabischen Lumpenproletariats hervor. Geerbt hat Sarrazin demnach fünf Qualitäten, die sein Leben und sein öffentliches Erscheinungsbild dominieren: Fabulierkunst, Durchtriebenheit, Ehrgeiz, Mediengeilheit und abnormes Schnauzbartwachstum.

Die damit einhergehende Neigung zu Kurzschlüssen und anderen gedanklichen Fehlzündungen scheint Sarrazin als Erbe mehrerer schadhafter Nukleinsäuremoleküle einigen Urahnen aus einem bereits vor vielen, vielen Millionen Jahren aus guten Gründen ausgestorbenem Seitentrieb der Vorfahren des Menschengeschlechts zu verdanken, und zwar den sogenannten Krüppel- oder Eierkopf-Hominiden, die zu ihrer Zeit durch ein besonders gering ausgebildetes Talent zur Realitätswahrnehmung hervorstachen und infolgedessen von klügeren Erdenbewohnern überrundet und untergebuttert wurden.

Als primärer Förderer wird das Umweltbundesamt in den kommenden fünf Jahren abermals rund zehn Milliarden Euro in die Erforschung des Genoms von Thilo Sarrazin investieren. Wenn durch die natürliche Züchtung resistentere und möglicherweise sogar geschmacklich attraktivere Sarrazins entstehen sollten, werden sowohl der UN-Sicherheitsrat als auch der Kölner Karnevalsverein noch einmal zusammentreten und darüber beraten, wie mit dem Objekt der Untersuchungen im Lichte der neuen Erkenntnisse zu verfahren sei.

Das Gemeinschaftsprojekt wird sich nach Angaben der Initiatoren auch weiterhin mit der Analyse und der Charakterisierung des Sarrazin-Genoms befassen und sich der wissenschaftlichen Diskussion über die Arbeit stellen. Es steht jedoch in den Sternen, ob dabei jemals etwas herauskommen wird. Wäre es nicht gescheiter, ein paar Katzen unter dem Kinn zu kraulen, als sich mit Thilo Sarrazins Erbgut zu beschäftigen?

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kari

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