Kommentar Frankreich und die Türkei: Mord wird Wahlkampfthema

Frankreich will die Leugnung des Völkermordes an den Armeniern unter Strafe stellen. Das hilft nur den Hardlinern in der Türkei und schadet den Armeniern im Land.

Es ist sicher keine besonders gute Idee, die sogenannte Leugnung des Völkermordes an den Armeniern unter Strafe zu stellen, wie es das französische Parlament am Donnerstag wahrscheinlich beschließen wird. Damit überzeugt man niemanden, der nicht sowieso längst davon überzeugt ist, dass der Massenmord an den Armeniern 1915 den Charakter eines Völkermordes hatte.

Im Gegenteil, man schließt die Reihen der Skeptiker. Verbote in Frankreich nutzen nur den Hardlinern in der Türkei und schaden den Armeniern im Lande.

Doch darum geht es gar nicht. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy will im kommenden Wahlkampf bei den zahlreichen Armeniern in Frankreich punkten, und das Gesetz ist ein billiges Mittel dazu. Sosehr dieser Zusammenhang in der Türkei beklagt wird, die türkische Reaktion, mit dem Abzug des Botschafters und dem Boykott französischer Firmen zu drohen, bringt auch nicht weiter.

Die Türkei wird früher oder später akzeptieren müssen, dass der größte Teil der Welt den Mord an der armenischen Minderheit als Völkermord betrachtet. Je früher sie es akzeptiert, umso besser. Das bedeutet, dass der türkische Staat sich entschuldigt und einen Fonds für Entschädigungen einrichtet. Tut er das nicht, werden die kommenden Jahre schwierig für Ankara.

2015 jährt sich der Genozid zum hundertsten Mal. Die Symbolik dieses Datums wird dazu führen, dass viele Politiker weltweit die Chance nutzen werden, sich als die Guten an der Seite der Opfer zu präsentieren, auch wenn ihnen das Schicksal der Armenier herzlich egal ist.

Wenn die Türkei sie alle dann boykottieren will, sollte sie sich aus der Weltwirtschaft am besten jetzt schon verabschieden. Es ist höchste Zeit für die politisch Verantwortlichen in Ankara, den Prozess des Umdenkens im Land nicht länger zu behindern, sondern aktiv zu fördern.

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