Ägypten nach den Wahlen: Die nächste Kraftprobe steht bevor

Nach Abschluss der Parlamentswahlen geht in Ägypten es jetzt um die neue Verfassung. Die Frage der politischen Macht ist weiterhin offen.

Eine Frau ruft pro-ägyptische Parolen am ersten Jahrestag der ägyptischen Revolution auf einer Demonstration in New York, USA. Bild: reuters

BERLIN taz | Kaum waren die offiziellen Ergebnisse der ägyptischen Parlamentswahlen veröffentlicht, rief auch schon eine Gruppe von Abgeordneten am Sonntag dazu auf, die Präsidentschaftswahlen vorzuziehen und das neue Staatsoberhaupt im April, anstatt wie bisher geplant, Ende Juni zu wählen.

Tahrir-Aktivisten wiederum wollten am gleichen Tag zu den Häusern von Abgeordneten ziehen, damit diese ihre Forderung nach einer Machtübergabe des Militärrats an das gewählte Parlament am 25. Januar, dem Jahrestag der ersten großen Demonstration in Kairo, unterstützen. Und bereits am vergangenen Samstag gingen in der ägyptischen Hauptstadt mehrere tausend Frauen auf die Straße, die unter anderem "Nieder mit der Militärherrschaft!" riefen.

Die Ereignisse machen deutlich, dass mit dem Abschluss der Parlamentswahlen die Frage der politischen Macht weiter offen ist. Die wichtigste Aufgabe, die den neuen Abgeordneten bevorsteht, ist die Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung. Dabei geht es um die Machtverteilung zwischen Parlament und Präsident, der Stellung des Militärs im künftigen Staat, die Rolle der Scharia, des islamischen Rechts, bei der Gesetzgebung und die Definition des Staates.

Letzteres betrifft die Frage, ob der Staat als zivil bezeichnet wird und ob es einen Bezug zum Islam gibt. Sowohl die Muslimbrüder als auch die Salafisten, aber auch zivilgesellschaftliche Gruppen feilen schon an ihren Entwürfen.

Öffentlicher Aufschrei

Das Militär, das seit 1952 die eigentliche Macht im Staate ist und bis zu 30 Prozent der ägyptischen Wirtschaft kontrollieren soll, hatte sich im Mai des vergangenen Jahres in einem Papier der damaligen Regierung weitgehende Rechte gesichert. Dazu gehörte die Ernennung von 80 der 100 Mitgliedern der Verfassunggebenden Versammlung und das Recht, nach sechs Monaten eine neue einzusetzen, falls die Verfassung bis dahin nicht fertiggestellt ist.

Außerdem sollten der Militärhaushalt nicht veröffentlicht werden und der Militärrat bei jedem Gesetz, das ihn selbst betrifft, das letzte Wort haben. Dies löste einen öffentlichen Aufschrei der Empörung aus und veranlasste im Herbst sogar die Salafisten dazu, auf dem Tahrirplatz zusammen mit linken Gruppen gegen den Militärrat und für eine zivile Regierung zu demonstrieren.

Am Wochenende erklärten die Muslimbrüder, die sich gegenüber dem Militärrat zuvor zurückgehalten hatten und als Organisation nicht zu den Demonstrationen am 25. Januar aufgerufen haben, in expliziter Reverenz an die derzeitigen Herrscher, dass niemand über dem Gesetz stehe. Laut Presseberichten fordert der Militärrat im Falle einer Machtübergabe Immunität für Menschenrechtsverletzungen während seiner Amtszeit. Konfliktstoff gibt es also noch genug.

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