Mittendrin statt nur dabei

NEONAZI-MORDE Nach neuen Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft war die inhaftierte Beate Zschäpe enger in die Zwickauer Terrorzelle eingebunden als bisher bekannt

Tödliche Gewalt gegen Migranten: Zschäpe soll Taten gutgeheißen und unterstützt haben

BERLIN taz | Die Bundesanwaltschaft hält die einzige Überlebende des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU), Beate Zschäpe, für eine politische Überzeugungstäterin. In einer Erwiderung auf die Haftbeschwerde ihrer Verteidiger führt die Anklagebehörde an, dass Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Zschäpe kurz nach dem Untertauchen im Januar 1998 eine terroristische Vereinigung gründeten, deren Mitglied sie „durchgängig“ gewesen sei.

In dem 23-seitigen Schreiben, das der taz vorliegt, wird beschrieben, wie früh das Trio tödliche Gewalt gegen Migranten ins Auge fasste. Eine Entscheidung, die Zschäpe laut Bundesanwaltschaft bewusst mittrug und umsetzte. So fanden die Ermittler in einer von ihr angemieteten Garage 1998 eine Diskette mit einem Text: „Ein Türke […] darf jetzt rennen oder flehen, er kann auch zu den Bullen gehen, doch helfen wird ihm alles nicht, […] heut noch stirbt er.“ Acht der zehn späteren Mordopfer der Terrorgruppe NSU hatten türkische Wurzeln. Nach dem Auffliegen der über Jahre hinweg unerkannten Zwickauer Zelle habe Zschäpe dann für den „letzten propagandistischen Akt“ der Neonaziterroristen gesorgt, so die Bundesanwaltschaft, indem sie Bekennervideos verschickte.

Belege dafür, dass Zschäpe selbst mordete, haben die Ermittler laut dem Schreiben („VS – Nur für den Dienstgebrauch“) nach wie vor nicht. Doch sie muss von den Taten gewusst und sie gutgeheißen haben.

Schwer belastet wird Zschäpe durch eine Zeugenaussage, wonach sie dabei war, als ein Kurier dem Trio im Untergrund eine Waffe lieferte. Außerdem soll sie unter Decknamen die Miete für die Wohnungen im Untergrund bezahlt haben. Auch das Wohnmobil, das ihre Komplizen benutzten, um ihren letzten Banküberfall zu begehen, soll Zschäpe angemietet haben. Dies stütze den Verdacht, dass sie in die „Raubtat zur Finanzierung des NSU“ eingeweiht war, so die Bundesanwaltschaft. Um Beweise zu vernichten, soll sie schließlich das Zwickauer Haus des Trios angezündet haben.

Ein Fund im Brandschutt legt den Verdacht nahe, dass die drei weitere Unterstützer anwerben wollten. Die Ermittler fanden einen Entwurf für einen offenbar an Sympathisanten gerichteten Brief. „Der Nationalsozialistische Untergrund verkörpert die neue Kraft im Ringen um die Freiheit der deutschen Nation“, heißt es dort. „Getreu dem Motto: ‚Sieg oder Tod‘ wird es kein Zurück geben.“ WOS, AS

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