Ausstellung im Kreuzberg Museum: Städte sind wie Schichtkuchen

Mit einer Schau horcht das Kreuzberg Museum den vielen kleinen Migrationsgeschichten des Bezirks nach.

"Ortsgespräche - Vom Halleschen zum Frankfurter Tor" lautet der Titel der Ausstellung. Bild: dapd, Axel Schmidt

Städte entstehen durch Migration, und Berlin ist seit Jahrhunderten ein Schmelztiegel der Einwanderung. Bis dato wurde freilich vor allem die jüngere Einwanderungsgeschichte im Rahmen klassischer Geschichtsaufarbeitung stets als Sonderthema behandelt. Eine Ausstellung im Bezirksmuseum Friedrichshain-Kreuzberg bricht nun mit dieser herkömmlichen Umgangsweise und stellt Migration als Alltagsphänomen dar.

Eine offene Tür im dritten Stockwerk des Kreuzberg Museums hinter dem Kottbusser Tor. Man starrt in einen schneeweißen, futuristisch anmutenden Raum, Besucher müssen sich Schutzbezüge über die Schuhe streifen, bevor sie eintreten. Auf dem Boden eine Karte mit Straßennamen, übersät mit farbig nummerierten, runden Markierungen. Kiezkenner wissen gleich, dass es sich bei der Abbildung um eine Grafik von Friedrichshain-Kreuzberg handelt. Der Raum bietet die Möglichkeit, Geschichten über Orte im Bezirk zu hören - erzählt von Menschen, die ihre ganz persönlichen Erinnerungen damit verbinden.

So erzählt beispielsweise der Schüler Gassem etwas über die Emmauskirche am Lausitzer Platz, wo Essen für Obdachlose verteilt wird. Ercan Y. berichtet von seinen Erinnerungen über die Adalbertstraße, die einfach an der Mauer endete. Man erfährt etwas über Szenelokale und die Gentrifizierung des Wrangelkiezes oder hört die Geschichte eines Menschen, der zum Zeitpunkt des Maueröffnung zufällig an der Oberbaumbrücke unterwegs war.

Zwei Jahre lang haben die Kuratorinnen Frauke Miera und Lorraine Bluche mit vielen ehrenamtlichen Helfern 153 Geschichten zu 118 Orten im Bezirk zusammengetragen. "Ortsgespräche - Vom Halleschen zum Frankfurter Tor" lautet der Titel der am vergangenen Wochenende eröffneten Schau.

In der "White Box" im dritten Stock kann man mit Hilfe eines MP3-Players kurze Interviews zu Orten hören, zu denen es ergänzende Bilder gibt. Dabei kann man sich aussuchen, ob man die Beiträge nach Zufallsprinzip hört oder sich an den zehn Themen wie "Ankommen", "Glauben" oder "Arbeiten" orientiert, mit denen die Audiobeiträge kategorisiert wurden. Eine andere Möglichkeit ist, sich einen Ort auf der Karte auszusuchen und die Nummer der markierten Stelle in den Audioguide einzutippen.

Im Kontrast dazu steht der Ausstellungsraum eine Etage tiefer. Dort gibt es sechs Orte, deren Geschichte erzählt wird. Wie die Schichten eines Kuchens werden sie an den Wänden präsentiert. Beispiel Görlitzer Park: Auf dem Gelände der 14 Hektar großen Grünfläche befand sich bis zu seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg der Görlitzer Bahnhof, wo bereits im 19. Jahrhundert Menschen aus Brandenburg, Schlesien oder Ostpreußen in der Großstadt ankamen. Heute ist die langestreckte Grünanlage ein Treffpunkt für Kiezbewohner, Künstler und Touristen, doch nicht viele erinnern sich daran, dass das Gelände noch bis kurz vor Parkgründung der Reichsbahn gehörte und bis in die 80er Jahre als Schrottplatz genutzt wurde.

Die Ausstellung bietet interessierten Besuchern nicht nur die Möglichkeit, sich über den Kiez zu informieren. Wer möchte, kann den Bestand auch um eigene Geschichten ergänzen. Man kann seine Erfahrungen und Erinnerungen mit einer Notiz auf den dafür vorgesehenen Tafeln hinterlassen oder nach Absprache mit Museumsmitarbeitern ein Interview in der Aufnahmekammer der "White Box" einsprechen.

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