Palästinensische Partei im syrischen Exil: Hamas sucht ein neues Zuhause

Die Führung der Islamisten will ihre Zelte in Damaskus abbrechen. Der Chef der Hamas in Gaza geht auf Distanz zu Syriens Führung, damit er sich selbst nicht ins Abseits bringt.

Endlich mal raus aus Gaza - Ismail Haniyeh scheint Gefallen am Reisen gefunden zu haben. Bild: reuters

JERUSALEM taz | Chaled Meschal, Chef des Hamas-Politbüros, will sich offenbar in Qatar niederlassen. Der 55-jährige Exilpalästinenser reiste am Wochenende nach Doha, um mit Ismail Haniyeh, dem Chef der Hamas im Gazastreifen, sowie Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zusammenzutreffen. Sein Stellvertreter Mussa Abu Marsuk will, bislang unbestätigten Berichten zufolge, nach Kairo umziehen.

Höchste Zeit wurde es für Meschals Wegzug aus Damaskus. Ende 1999 hatte der inzwischen verstorbene syrische Präsident Hafis Assad Meschal unter seine Fittiche genommen, nachdem er Jordanien unfreiwillig verlassen musste. Die blutige Unterdrückung des Volksaufstandes in Syrien zwingt Meschal, jetzt auf Abstand zur Führung in Damaskus zu gehen, will er sich selbst gegenüber der Arabischen Liga nicht ins Abseits bringen.

"Die große Mehrheit der Palästinenser verurteilt das Vorgehen der Armee in Syrien", sagt Chaled Amayreh, politischer Analyst aus Hebron im Westjordanland. Das "sektiererische Vorgehen" der Alawiten-Regierung und der "Slowmotion"-Holocaust dürften nicht toleriert werden. Deshalb habe Meschal Damaskus verlassen müssen.

Die Exilführung der Hamas geht künftig geografisch getrennte Wege. "Für die Führung einer Widerstandsbewegung, die von Israel verfolgt wird, ist es nicht klug, sich an einen Ort zu konzentrieren", erläutert Amayreh. Neben Doha und Kairo gehört auch Jordanien zum neuen Domizil für hohe Parteifunktionäre. König Abdallah II. habe sich in dieser Sache mit dem Weißen Haus abgesprochen.

Die Hamas-Führung soll politisch zerstritten sein

Izhak Reiter, Islamwissenschaftler am "Jerusalemer Institut für Israelstudien", vermutet, dass auch die Regierung in Doha "geprüft haben dürfte, ob es diplomatische Konsequenzen für sie haben könnte", wenn Meschal sich in Qatar niederlässt. "Die Hamas-Führung ist politisch zerstritten", sagt Reiter. Meschal verliere an Einfluss in den eigenen Reihen.

In Israel ist der Umzug des Islamisten, den Mossad-Agenten vor 15 Jahren vergeblich zu vergiften versuchten, offiziell noch nicht kommentiert worden. Reiter glaubt, dass es aus israelischer Sicht nicht schlecht sei, wenn Meschal in das entferntere Qatar zieht. "Jordanien oder Ägypten wäre für Israel ungünstiger."

Die Hamas erlebt mit dem Arabischen Frühling und dem Erstarken der Muslimbrüder vor allem in Ägypten, von denen sie selbst eine Art palästinensischer Ableger sind, internationalen Aufwind. Zum ersten Mal seit seiner Vertreibung reiste Meschal Ende letzter Woche nach Amman. Auch Ismail Haniyeh, Chef der Hamas im Gazastreifen, entwickelt neuerdings Geschmack am Reisen.

Tunesien, Türkei, Ägypten, Qatar

Tunesien stand als Erstes auf seinem Programm, und im türkischen Ankara wurde er von Regierungschef Tayyip Recep Erdogan Anfang Januar mit allen Ehren empfangen. Ende letzter Woche traf Haniyeh in Kairo mit dem muslimischen Theologen Yusuf al-Qaradawi zusammen, bevor er sich auf den Weg nach Qatar machte.

Meschals Wahl von Doha ist nach Ansicht von Analyst Amayreh darin begründet, dass sich die Regierung in Qatar "schon seit einiger Zeit schützend vor die Hamas stellt". Qatar habe die Hamas eingeladen, dennoch könne man der Regierung in Doha nicht vorwerfen, Terror zu unterstützen, wenn sie "einen amerikanischen Luftwaffenstützpunkt beherbergt". Qatar habe sich stets für eine friedliche Lösung im Nahostkonflikt eingesetzt. Amayreh rechnet nicht mit diplomatischen Folgen. "Probleme könnte es nur geben, wenn US-Präsident Barack Obama die Wahlen verliert."

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