SVEN HANSEN ÜBER DIE KORAN-VERBRENNUNG IN AFGHANISTAN
: Arroganz des Imperiums

Schnell, entschlossen und voll Demut hat sich General John Allen, der Chef der US-Truppen (wie der internationalen Isaf-Streitmacht) in Afghanistan, für das Verbrennen von Koran-Exemplaren auf einem Müllplatz des US-Stützpunktes Bagram entschuldigt. Anders als seine Vorgänger in ähnlichen Fällen wiegelte er nicht ab, sondern verurteilte deutlich das Fehlverhalten seiner Untergebenen. Doch letztlich nutzte es nichts: Es kam zu tödlicher Gewalt.

Am Donnerstag gab es bereits am dritten Tag Proteste. Wieder gab es Tote. Ein Aufruf von Präsident Karsai zur Mäßigung wie eine offizielle Entschuldigung von US-Präsident Obama verpufften. Davor hatte General Allen mit der Ankündigung zu beruhigen versucht, künftig würden alle Isaf-Soldaten interkulturell geschult. Das war als Geste des Respekts vor der Kultur und Religion der Afghanen gemeint. Doch kommt sie nicht nur Jahre zu spät, sondern zeigt auch die bisherige Arroganz und Ignoranz der US-Intervention. Schon seit 2001 kämpfen US-Soldaten am Hindukusch. Doch erst jetzt fällt ihnen auf, dass sie nicht genug von der dortigen Religion verstehen. Das ist eine Steilvorlage für die Taliban, die schon immer behauptet haben, beim US-Einsatz gehe es nicht um die Afghanen, sondern um die Dominanz der westlichen Supermacht.

Zudem haben die USA schon so viel versprochen. Deshalb bieten ignorante US-Soldaten frustrierten Afghanen jetzt die Gelegenheit, ihre Wut rauszulassen. Für Gegner der US-Intervention ist es leicht, die Koranverbrennung als Angriff auf Religion und Identität aller Afghanen darzustellen und zum Widerstand aufzurufen. Das Karsai-Regime, dessen Polizei die Gewalt zu begrenzen versucht, kann dabei als Handlanger der Amerikaner vorgeführt werden. Die jetzige Krise könnte deshalb den westlichen Abzug vom Hindukusch beschleunigen.

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