Prozess auch ohne Straftat

TERROR-PARAGRAF Erstmals wird in Hamburg ein Verfahren nach dem neuen Paragrafen 129b verhandelt

So martialisch wie die Kulisse bei den Verfahren um die Anschläge auf das World Trade Center wird das Ambiente vor dem Strafjustizgebäude sicher nicht ausfallen. Aber wenn demnächst der Staatsschutzsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg tagt, dürfte bei den Sicherheitskräften höchste Alarmstufe herrschen.

Angeklagt ist der Kurde Ali Ihsan Kitay. Zum ersten Mal kommt dann der neu geschaffene Terror-Paragraf 129b Strafgesetzbuch in Hamburg zur Anwendung. Der verbietet die Mitgliedschaft in einer ausländischen Terrororganisation.

„Wir rechnen täglich mit der Anklage“, sagt Kitays Anwältin Cornelia Ganten-Lange. Dieser war am 12. Oktober vorigen Jahres verhaftet worden. Ihm wird vorgeworfen, als Gebietsleiter der kurdischen Jugendorganisation CDK die in der Türkei verbotene Kurdische Arbeiterpartei (PKK) unterstützt zu haben. „Es gibt vom Justizministerium eine Generalvollmacht zur Verfolgung der PKK“, sagt Ganten-Lange. Da spiele Völkerrecht dann keine Rolle mehr. „Meinem Mandanten wird nichts Konkretes vorgeworfen“, sagt die Anwältin – außer mit der PKK zu sympathisieren. „Da wird dann alles in einen Topf geworfen.“ Mit dem Paragrafen 129b Strafgesetzbuch hat auch die Hamburger Anwältin Britta Eder ihre Erfahrung, seit sie vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht einen Türken verteidigte, dem Mitgliedschaft in der DHKP-C, einer marxistisch-leninistischen Untergrundorganisation in der Türkei, vorgeworfen wurde.

„Der Paragraf 129b setzt selbst nicht voraus, dass jemand in Deutschland eine Straftat begeht“, sagt Eder. „Wenn man hier mit der Organisation sympathisiert, ist man laut deutscher Justiz in der Türkei automatisch Mitglied“, sagt Eder. Es sei schwierig, Entlastungszeugen zu laden, denn dann gebe es die Gefahr, dass ihnen nach der Rückkehr in die Türkei etwas zustoße, sagt Eder. Selbst beim Bundesgerichtshof gebe es Bedenken, ob diese Auslegung überhaupt Bestand habe.

Das Problem für die Gerichte sei, dass die Richter ausschließlich auf die Angaben der türkischen Justiz und Geheimdienste angewiesen seien, die oft unter Folter erpresst worden seien. Die Bundesrichter hätten erkannt, so Eder, „dass man unter diesem Konstrukt tausende sympathisierende Kurden anklagen könnte.“  KAI VON APPEN