EU-AUSLÄNDER
: Der goldene Hut

Der Junge sieht traurig aus, aber er trollt sich nicht

Ich sitze vor dem Falafel-Laden in der Adalbertstraße und kaue etwas lustlos auf dem Falafel herum. Um mich herum sitzen lauter junge EU-Ausländer, die, wie ich der Süddeutschen Zeitung entnehmen konnte, von ihren betuchten Eltern Wohnungen gekauft bekommen und das türkische Proletariat aus seinem angestammten Kreuzberger Wohnbezirk vertreiben. Nach Spandau, wo es vor lauter Heimweh an den Wochenenden dann nach Kreuzberg fährt, und zwar ins türkische Restaurant Hasir, wo auch schon mal Sarrazin gegessen hat, um zu zeigen, dass er vor den Türken keine Angst hat.

Vor mir nehmen zwei Jungs mit arabischem Migrationshintergrund Aufstellung. Einer ist ungefähr zehn, sehr dünn und hat eine Melodika. Der andere ist einen Kopf kleiner, noch keine sechs, auch dünn und hat einen goldenen Hut auf. Der größere zerschreddert was Sentimentales, der kleinere tanzt dazu, das heißt, er macht ein paar abgehackte HipHop-Bewegungen. Ich vertiefe mich in den Falafel, obwohl es da nichts hineinzuvertiefen gibt. Nach nicht mal einer halben Minute, die sich ganz schön hinziehen kann, nimmt der kleine Junge seinen goldenen Hut vom Kopf und sammelt. Am Straßenrand bleiben die beiden stehen und verhöhnen einen noch jüngeren Jungen, der auf dem Bürgersteig steht und nichts sagt, nur guckt. Ich verstehe zwar nichts, aber Gesten wie der ausgestreckte Mittelfinger kommen sogar mir bekannt vor. Der Junge sieht traurig aus, aber er trollt sich nicht und starrt die beiden weiter an.

Auf dem Weg zum Kottbusser Tor komme ich an einer jungen Frau mit Kopftuch vorbei, die auf dem Boden sitzt und die Hand aufhält. Neben ihr der traurige Junge. Seine größere Schwester rennt einem EU-Ausländer hinterher und entwendet ihm eine Plastikwasserflasche, die leer ist. Sie kommt zurück und gibt sie ihrer Mutter, die auf dem Boden sitzt. KLAUS BITTERMANN