Feuer aus Plastik

RELIGION Weil in Afghanistan Krieg ist, lebt Noor Mohammed in Kabul in einem Flüchtlingscamp. Sein Traum ist es, Mullah zu werden. Teil drei unserer Fotoserie „Believe“

■ Der Fotograf: Ton Koene, Jahrgang 1963, hat lange für Ärzte ohne Grenzen gearbeitet. 2006 begann er zu fotografieren. Seine Dokumentationen berichten über Prostitution in Nigeria, Missstände in Somalia und Genozid in Darfur. Koene lebt im niederländischen Amsterdam.

■ Die Serie: Für die Serie „Believe“ hat Ton Koene die verschiedenen Kontinente bereist, um Kinder in ihrer Umgebung und ihrem Alltag zu fotografieren. Dabei hat er sie auch gefragt, woran sie glauben. Im vierten und letzten Teil zeigt die sonntaz in der nächsten Woche das Leben eines Kindes in Hongkong.

FOTOS UND PROTOKOLL TON KOENE

Mein Name ist Noor Mohammed, ich bin elf Jahre alt, und ich lebe seit fünf Jahren mit meinen Eltern, Brüdern und Schwestern in einem Flüchtlingscamp in Kabul, Afghanistan. Unser Land ist im Krieg. Die Taliban kämpfen gegen die Regierungstruppen, die von der amerikanischen Armee unterstützt werden. Wir waren in unserer Heimatstadt nicht mehr sicher, also kamen wir nach Kabul.

Wir leben in einem sehr kleinen Lehmhaus, das mein Vater selbst gebaut hat. Er hat keinen Job. Oft essen wir nur einmal am Tag etwas. Ich teile Brot und Suppe, die wir in der Schule bekommen, mit meinen kleinen Brüdern zu Hause, weil sie auch Hunger haben. Und letzten Winter war es so kalt! Wir verbrannten Plastik, das ich jeden Morgen um sechs Uhr vor der Schule sammle, auf offenem Feuer. Das Feuer macht so viel Qualm, dass wir die Tür öffnen müssen und die Kälte wieder eindringt.

Ich versuche, als guter Muslim zu leben. Die Moschee hier ist ein friedvoller Ort, mit wunderschönen blauen Kacheln gefliest, und ich liebe es, dort hinzugehen und zu beten. Freitags redet der Mullah in seiner Predigt über Krieg, die Amerikaner und die Regierung. Ich denke, er ist ein weiser Mann. Seit ich klein bin, will ich selbst Mullah werden. Dann könnte ich anderen Muslimen zeigen, wie sie gut leben, und ihnen meinen Rat bieten.

Jungs und Männer tragen bei uns Turban. Ich habe einen schwarzen. Ich liebe Schwarz, aber manchmal bekomme ich Ärger auf dem Markt, wenn ich meine Mutter zum Einkaufen begleite. Die Leute fragen mich, ob ich ein kleiner Taliban bin, weil die auch schwarze Turbane tragen. Die Taliban sind nicht böse. Sie wollen, dass der Mullah über Gut und Böse entscheidet, dass man fünfmal betet und alle Männer sich Bärte wachsen lassen. Wenn ich groß bin, will ich einen langen, schwarzen Bart haben.