KOMMENTAR VON KARIM EL-GAWHARY ZUR ENTMACHTUNG DES MILITÄRS IN ÄGPYTEN
: Der Demokratie einen riesigen Schritt näher

Mursi hat die Generäle klug weggelobt und so hoffentlich einen Putsch verhindert

Die politische Entmachtung der obersten Militärführung ist für das Land am Nil das wohl wichtigste Ereignis seit dem Sturz Mubaraks.

Präsident Mohammed Mursi hat dabei großes Geschick gezeigt. Er hat es geschafft, die Militärführung zu spalten und Mitglieder des Obersten Militärrats an dessen eigener politischer Absetzung zu beteiligen. Gleichzeitig hat Mursi die entlassenen Generäle noch einmal hoch dekoriert, offiziell zu seinen Beratern gemacht – und somit weggelobt. Damit stellt er zweierlei sicher: Die pensionierten Militärs bleiben gerichtlich unantastbar, ein wichtiger Punkt, damit diese bei ihrer Entlassung keinen Widerstand der Armee organisieren und womöglich putschen. Und als Präsidialberater dürfen sie ohne Genehmigung des Präsidenten nicht ausreisen. Damit sind spätere gerichtliche Schritte gegen sie nicht ausgeschlossen. Dass sich das Militär bislang ruhig verhält, spricht sehr für diese elegante Taktik des Präsidenten.

Der Machtkampf zwischen Mursi und den Militärs war auch ein Machtkampf zwischen der gewählten Institution des obersten Staatschefs und der nicht gewählten, intransparenten und unkontrollierbaren Institution des Militärrats. Dass der Gewählte diesen für sich entschieden hat, ist auch ein Sieg für die demokratische Umwandlung Ägyptens.

Gefährlich ist dabei, dass Mursi die volle exekutive und legislative Macht innehat sowie das Recht, die verfassunggebende Versammlung neu aufzustellen, sollte die bisherige nicht vorankommen. Ob er mit diesem Machtmonopol verantwortungsvoll umgehen wird? Allerdings braucht Mursi eine breite politische Unterstützung, die über seine eigene Klientel, die konservativen Muslimbrüder, hinausreicht. Dabei ist die Ernennung des liberalen Richters Mekki zum neuen Vizepräsidenten von großer Bedeutung. Er war in den letzten Mubarak-Jahren das Aushängeschild des Kampfes für eine unabhängige Justiz.

Die gesamte Aufmerksamkeit des Landes richtet sich ab jetzt auf das Schreiben einer neuen Verfassung. Dieser Prozess wird nur Erfolg haben, wenn er in einem breiten gesellschaftlichem Konsens stattfindet. Erst dann kann es Neuwahlen für das Parlament geben.

Die Türkei hat dreißig Jahre gebraucht, um die Generäle aus der Politik zu entfernen. Ägypten hat sie in nur achtzehn Monaten entmachtet. Hoffentlich.

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