Machte Neonazifan Karriere beim Verfassungsschutz?

THÜRINGEN Ein Polizist soll Rechte aus dem Umfeld der NSU vor Aktionen der Behörden gewarnt haben

BERLIN dpa/afp/taz | Neue Akten im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen die Neonazi-Terrorzelle NSU bringen die Behörden in Thüringen in Erklärungsnot. Ein Polizist steht im Verdacht, Ende der 90er Jahre Dienstgeheimnisse an einen Rechtsextremisten aus dem Umfeld des späteren NSU verraten zu haben. „Uns liegen Geheimakten des Landesamtes für Verfassungsschutz vor, in denen zwei unabhängige Quellen den Mann belasten“, sagte die Innenexpertin der Thüringer Linkspartei, Martina Renner, die auch im NSU-Untersuchungsausschuss des Freistaats sitzt.

„Abgründe tun sich auf“

Gerüchte in diese Richtung hatte es schon länger gegeben, nun liegen erstmals entsprechende Akten vor. Laut Renner belegen diese, dass je ein V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) unabhängig voneinander einen Thüringer Polizeibeamten als Sympathisanten der Neonaziszene eingestuft hatten.

Er soll mehrmals einen Rechtsextremisten des „Thüringer Heimatschutzes“ vor Polizeiaktionen gewarnt haben. Dem rechtsextremen Kameradschaftszusammenschluss gehörten auch die NSU-Mitglieder Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe an. In den Akten finde sich jedoch kein Hinweis darauf, ob und wie die Thüringer Behörden den Anschuldigungen gegen den Polizisten nachgegangen seien, sagte Renner.

Der Polizist selbst ist laut Medienberichten jedenfalls nicht aus dem Dienst entfernt worden, sondern hat sogar Karriere gemacht. Zunächst sei er zum Mitarbeiter des Thüringer Landeskriminalamtes aufgestiegen, hieß es. Im Jahr 2010 soll er dann zum Thüringer Verfassungsschutz abgeordnet und ein Jahr darauf fest eingestellt worden sein. Nach Angaben der Linksparteipolitikerin Martina Renner soll er dort sogar selbst V-Leute geführt haben, wie bezahlte Informanten der Geheimdienste in der extremistischen Szene genannt werden. Erst nach dem Auffliegen des NSU im Herbst 2011 soll der Mann degradiert und vom Verfassungsschutz in die Erfurter Polizei versetzt worden sein.

Auch der Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag, Sebastian Edathy (SPD), forderte von den Behörden in Thüringen Aufklärung. Es gebe auch noch viele andere offene Fragen und Hinweise auf Versäumnisse in Thüringen. „Da tun sich Abgründe auf. Die habe ich nicht für möglich gehalten“, sagte Edathy. WOS

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