„Keine einheitliche Gruppe“

PODIUMSDISKUSSION Die Ergebnisse der Studie über „Lebenswelten junger Muslime in Deutschland“

■ 60, ist verantwortlich für Kinder und Jugendschutz bei der Senatorin für Soziales, Kinder, Jugend und Frauen.

taz: Herr Gerardu, Muslime kommen aus sehr unterschiedlichen Herkunftsländern. Kann man sie überhaupt als einheitliche Gruppe untersuchen?

John Gerardu: Ich denke nicht, dass man Muslime als eine geschlossene, religiöse Gruppe erforschen kann. Man untersucht ja auch nicht junge Christen als homogene Einheit.

In der Studie werden Muslime dennoch zu einer Gesamtheit zusammengefasst.

Ich glaube, dass die ganze Studie nicht repräsentativ ist. Kann und muss man eine Lebenswelt junger Muslime untersuchen? In der Jugendarbeit ist nicht die Religionszugehörigkeit das Kriterium, sondern Benachteiligungen aufgrund von anderen Indikatoren, wie Bildungsniveau, Sprachbarrieren oder finanzielle Probleme. Wir behandeln die Kinder alle gleich – wenn Förderungsbedarf besteht, versuchen wir ihnen zu helfen – unabhängig von der Religion.

Viele Muslime, die sich selbst als „streng religiös“ bezeichnen, weisen laut der Studie geringere Integrationstendenzen und erhöhte Gewaltbereitschaft auf.

Ich wehre mich vehement dagegen, dass das Muslim-Sein immer mit Gewalt, Unterdrückung und Rückständigkeit gleichgesetzt wird. Sowohl unter Deutschen als auch unter Migranten unterschiedlicher Religionszugehörigkeit gibt es Gewaltbereitschaft. Einige Muslime fühlen sich von der Mehrheitsgesellschaft ausgegrenzt und nicht richtig wahrgenommen. Diese Ausgrenzung führt häufig zu einer Trotz-Reaktion: Muslime möchten sich in eine Gesellschaft, die sie diskriminiert auch nicht integrieren.

KATHERINE RYDLINK

„Lebenswelten junger Muslime in Deutschland“: 18.30 Uhr, Haus der Wissenschaft, Sandstraße 4/5