BITTERKALT IN KREUZBERG
: Heiß in Istanbul

Wahrscheinlich hat sie sich extra für ihn hübsch gemacht

Es ist ein bitterkalter Abend in Kreuzberg. Ich habe noch nichts gegessen, gehe in irgendeinen Döner-Imbiss und bestelle mir einen Halloumi. Ich gieße mir türkischen Tee ein, setze mich an einen der Tische und warte.

Am Nebentisch sitzen ein junger Deutschtürke und seine Begleiterin. Ihre Teller sind bereits leer, der junge Mann erzählt Geschichten von seiner letzten Reise nach Istanbul. Zunächst nehme ich nur Wortfetzen auf, dann lausche ich genauer. Er sagt: „Dann waren wir in dieser Bar, und die Kellnerin hat gleich mit mir geflirtet. Die war richtig hübsch, und irgendwann hat sie mich gefragt, ob ich auf sie warten würde. Ich sage, na klar. Später haben wir einen Joint geraucht und sind dann zu ihr nach Hause gefahren.“

Mein Halloumi wird aufgerufen. Ich gehe zur Theke, beim Rückweg schaue ich mir die beiden genauer an. Er ist ein schöner junger Mann: glatte schwarze Haare, dunkle Augen, ebenmäßiges Gesicht. Sie trägt ein Kopftuch und ein eng anliegendes Kleid. Sie hat zu viel Rot auf ihren Lippen, wahrscheinlich hat sie sich extra für ihn hübsch gemacht. Ich esse meinen Halloumi und lausche. Er sagt: „Ich tanze also mit dieser Frau in diesem Club, und dann fragt sie mich, ob ich Lust auf Koks habe. Ich sage, na klar, wir gehen auf die Toilette, ziehen uns das Koks rein und haben es dann miteinander getrieben. Ich sage dir, das war genial.“

Die Sex- und Drogengeschichten des jungen Mannes nehmen kein Ende. Eine Frau hier und eine andere Frau dort. Istanbul scheint sich zur Sexkapitale Europas entwickelt zu haben. Und gerade als ich dies denke, steht das junge Mädchen auf, schüttet ihm ein Glas Wasser ins Gesicht und sagt: Du Vollidiot, dann fahr doch wieder in dein scheiß Istanbul. Er bleibt alleine zurück, guckt ziemlich dumm aus der Wäsche. Er schaut mich an und sagt: „Tja, blöd gelaufen.“ ALEM GRABOVAC